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Markus Heuser, genannt "Meks", ist der Erste, der spurlos verschwindet, und durch sein Verschwinden gibt er dem "Heuser-Phänomen" später einen Namen. Eben noch hat Markus die Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen ausgepustet und sich von den Eltern in die Schule verabschiedet, dann ist er weg. Auch andere Jugendliche in ganz Deutschland verschwinden an ihrem sechzehnten Geburtstag und tauchen nicht mehr auf. Nur ihre Handys werden auf rätselhaften Wegen wieder gefunden. Die Vermisstenmeldungen, die die verzweifelten Eltern bei der Polizei aufgeben, führen zu keinem Ergebnis.
Die Ähnlichkeit der sich häufenden Fälle wird erst wahrgenommen, als der Sohn einer Prominenten verschwindet und das Interesse der Medien auf den Fall gelenkt wird: Alle Jugendlichen waren gerade sechzehn Jahre alt geworden. Alle waren vor ihrem Verschwinden viel im Internet unterwegs gewesen. Keiner von ihnen war ein typischer "Ausreißer", alle waren gut in der Schule; es gab auf den ersten Blick keinen Grund für sie, einfach so zu verschwinden. Dann tauchen plötzlich T-Shirts auf, auf denen der Slogan "Free your mind" aufgedruckt ist. Die Erwachsenen sind ratlos: Sind die Jugendlichen einfach ausgerissen, abgehauen? Sind sie in die Fänge einer Sekte geraten oder einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen? Gibt es eine neue Jugendbewegung, von der keiner etwas mitbekommen hat?
Birgit Vanderbeke erzählt in ihrem Roman "Sweet Sixteen" eine fantastische Geschichte, die Elemente von Krimi, Jugendroman und Gesellschaftskritik miteinander vermischt. Augenzwinkernd werden Konsumterror, Gehirnwäsche durch die Massenmedien und die vielen kleinen Sinnlosigkeiten der teils abgestumpften Erwachsenenwelt aufs Korn genommen. Die Jugendlichen, aufgewachsen zwischen iPods, Computern und Markenklamotten, nehmen gelangweilt von der Gesellschaft das Steuer selbst in die Hand und verabschieden sich aus der Welt.
Bei der hier rezensierten Version handelt es sich um ein Hörbuch mit einer Gesamtspielzeit von 206 Minuten, erschienen 2005 im Argon-Verlag. Die Aufmachung - die CDs sind alle einzeln in Papphüllen verpackt und in einer stabilen Pappbox untergebracht - mit elegantem Booklet ist schön, farblich geschmackvoll und, wie auch bei anderen Hörbüchern aus dem Argon-Verlag, insgesamt sehr gelungen.
Das Hörbuch umfasst drei CDs und wird von der Autorin selbst in voller Länge gelesen. Hier liegt auch der Hauptkritikpunkt: Wenn die Verfasserin einer Geschichte diese für ein Hörbuch einliest, ist eigentlich zu erwarten, dass die Lesung etwas ganz Besonderes ist, weil niemand das eigene Werk besser kennt als die Autorin selbst. Soweit die Theorie. Leider liest Birgit Vanderbeke, selbst wenn man es wohlwollend betrachtet, bestürzend schlecht - stets leicht leiernd und ohne besondere Betonung, immer wieder stockend, teilweise mit Pausen, die nicht nur im Satz stehen, sondern häufig mitten im Wort, als müssten die Worte erst entziffert werden.
Natürlich hat nicht jeder eine gute Vorlesestimme, jedoch hätte sich die Produktion hier einen großen Gefallen getan, wenn sie einen professionellen Sprecher engagiert hätte. Die schlechte Vorlesequalität führt beim Zuhörer leider dazu, dass man streckenweise einfach geistig abschaltet und das Interesse an der an und für sich guten Geschichte verliert. Gerade bei Hörbüchern steht und fällt die Qualität mit dem Sprecher - Autorenlesungen sind eine spannende Sache, aber in diesem Fall gibt es leider kaum durch Betonung und Modulation erzeugte Spannung, die Charaktere bleiben in gewisser Weise austauschbar, weil sie nicht mit persönlicher Färbung vorgelesen werden.
Ein weiteres Problem der Geschichte ergibt sich aus der Thematik und dem Blickwinkel, aus dem Vanderbeke sie erzählt: Über weite Strecken rätseln die Erwachsenen, was mit den verschwundenen Jugendlichen passiert ist. Dass man als Hörer quasi in der Rolle des Außenstehenden verbleibt und sich zum Großteil die Sichtweise der ahnungslosen Erwachsenenwelt anhören muss, ist auf Dauer ein Manko der Erzählung. Ironie und Kritik sind gut gemeint, beliebte Allgemeinplätze wie "Gewalt in Videospielen macht gewalttätig" werden als töricht entlarvt, aber dennoch geht der Schuss nach hinten los, weil man eigentlich viel mehr über die "Sweet Sixteen"-Bewegung und die Beweggründe der Jugendlichen erfahren würde als über die trockenen Ansichten der Eltern, Medienvertreter, Pädagogen und Politiker, die ja hinlänglich bekannt sind.
Dass der Blick vorrangig auf die Erwachsenen gerichtet bleibt, ist stilistisch kein schlechter Ansatz, er wirkt aber irgendwann ermüdend. Wenn Vanderbeke die Politiker und Erzieher pseudowissenschaftlich zu Wort kommen lässt, wenn sie sich in sinnlosen Phrasen und Unverständnis im Kreis drehen und über Bildungsnotstand und Wertezerfall mutmaßen, dann ist das zwar treffend und amüsant, wird jedoch auch langweilig, zumal das Hörbuch insgesamt recht kurz ist.
Der Aufstand der Jugendlichen, der in dieser Geschichte so ganz ohne Revolution als stilles Verschwinden geschieht, wurde in anderen Büchern ähnlich thematisiert. Um das Thema erneut erfolgreich aufzugreifen, hätte das Buch vielleicht noch ein wenig skurriler und gewagter sein müssen. Und an den Stellen, wo Vanderbekes Kritk ätzend und bissig ist und voll zutrifft, wird diese von ihrer leiernden Vorlesestimme wieder zunichte gemacht. Das Ende der Erzählung schließlich irritiert: Es gibt keine Pointe, keinerlei Erklärungen, keinen richtigen Schluss. Das Hörbuch endet so abrupt, so mitten im Geschehnis, dass man sich als Hörer kurz fragt, ob vielleicht eine CD fehlt.
Meine Meinung zu diesem Hörbuch ist trotz der vielen Kritikpunkte durchaus gemischt. Allzu gerne hätte ich mir "Sweet Sixteen" aufmerksam und in einem Zuge angehört, weil die Idee und die Erzählung durchaus originell, intelligent und ansprechend genug sind, um sich gut unterhalten zu lassen und um zum Nachdenken anzuregen, wenn auch das Ende mich persönlich enttäuscht hat. Mit einem anderen Sprecher wäre die Gesamtwertung sicher höher ausgefallen, hier aber bin ich versucht, kurzerhand den Roman zu empfehlen, um sich die unbefriedigende Lesung zu ersparen.