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Roland Vialatte liegt im Sterben, als er von den grausamen Geschehnissen berichtet, die ihm im Ersten Weltkrieg zugestoßen sind. Das ist zwar schon einige Jahre her, aber die Wahrheit soll nicht ungesagt bleiben.
Es war das Jahr 1915, als Vialatte auf eine mysteriöse Mordserie angesetzt wurde. In der französischen Champagne wurden drei offensichtlich ermordete Frauen aufgefunden und das mitten an der Front, wo das weibliche Geschlecht normalerweise nicht anzutreffen ist. Vialatte wird als Polizist die schwierige Aufgabe zuteil herauszufinden, wer hinter den Morden steckt und warum die Frauen sterben mussten.
Sein Weg führt ihn zu einer ungewöhnlichen Division, die aus jungen Burschen besteht. Zu seiner Überraschung erfährt er, dass sie allesamt das vorgeschriebene Mindestalter noch nicht erreicht haben, auch wenn das in den offiziellen Papieren so vermerkt ist. Sie haben einen Aufenthalt in einer Besserungsanstalt gemeinsam, aus der sie entlassen wurden, um sie in den Krieg schicken zu können. Nach einem glorreichen Sieg soll die Freiheit ihre Belohnung sein. Die bittere Wahrheit jedoch ist, dass sie in den vordersten Reihen kämpfen müssen und sich niemand darum schert, wenn sie wie die Fliegen sterben. Niemand außer des Kompanieführers Peyrac, der die Jungen in sein Herz geschlossen hat, auch wenn das unter seiner rauen Schale nicht immer sichtbar ist.
Als Vialatte bei diesem Trupp auftaucht, reagiert Peyrac entsprechend rau und unnachgiebig. Auch wenn es Hinweise gibt, dass seine Jungs vielleicht in die Mordfälle verwickelt sein könnten, will er an ihre Unschuld glauben und setzt sich vorbehaltlos für sie ein. Aber sind ihre Westen wirklich so rein, wie es Peyrac behauptet? Vialatte hat seine Zweifel und geht dem Fall unnachgiebig nach.
Autor Kris und Zeichner Maël haben mit "Mutter Krieg" eine eindringliche Graphic Novel geschaffen, die dem Leser die alltäglichen Schrecken des Ersten Weltkrieges vor Augen führt. Zu Anfang scheint es sich um die Schilderung eines klassischen Kriminalfalls zu handeln, aber es wird schnell klar, dass es viel mehr um die Menschen, ihr Empfinden, ihr Leiden geht. Auch wenn die Auflösung der Mordfälle klar im Mittelpunkt steht, so rückt sie doch teilweise in den Hintergrund und lässt Raum, um das Schicksal verschiedener Menschen zu beleuchten. Manches steht dabei unmittelbar mit dem Fall in Zusammenhang, auf anderes stößt der Protagonist Vialatte zwar bei seinen Nachforschungen, es stellt sich aber heraus, dass es teilweise falsche Fährten waren. Das macht die Geschichte sehr realistisch, denn die Wirklichkeit sieht selten so aus wie ein perfekter Krimi. Tatsächlich findet die Handlung sogar einige Unterbrechungen, wenn die Kriegsgräuel Vialatte doch noch an die Front zieht und er seinen Fall kurzzeitig nicht weiter bearbeiten kann.
Ungewöhnlich sind die poetischen Worte, mit denen der schreckliche Kampf Mensch gegen Mensch beschrieben wird. Dass er die Geschichte von Vialatte selbst erzählen lässt, hat dem Autor die Möglichkeit gegeben, viele seiner Gedanken in die Story einfließen zu lassen. Diese sind zugleich so traurig, poetisch und real, dass einem fast die Tränen kommen, wenn der Leser sich zu sehr in die Geschichte fallen lässt.
"Ich wollte meinen Geist von der umherschweifenden Gefahr berauschen lassen, den riesigen Abgrund des Todes zu meinen Füssen entlanglaufen, das absolut göttliche eines Lebens, das von schrecklichen Zufällen abhängt, das jeden Augenblick hechelt, als wäre es die erste, die letzte Sekunde."
Die Schrecken vergangener Kriege dürfen nicht vergessen werden und Bücher wie dieser Comic sind eine gute Art das zu erreichen. Es wird eine spannende Geschichte erzählt, der Leser taucht ein in die Schicksale verschiedener Menschen. Durchschnittlicher, normaler Menschen. Es sind eben nicht die großen Helden, von denen hier erzählt wird, sondern die "armen Schweine", die ohne Rücksicht in den Tod geschickt wurden. Die Geschichte von Müttern und Vätern, die um ihre gefallenen Söhne trauern, die Geschichte von Männern, die schon so lange gekämpft haben, dass sie zu vergessen beginnen, wie sie ohne den Krieg leben sollen.
Der Realismus dieser Momente, in denen wir Zeuge davon werden, wie Menschen im Krieg lebten, kämpften und starben macht "Mutter Krieg" zu einem sehr emotionalen und starken Werk.
Diese Ausgabe enthält die komplette Geschichte in einem umfangreichen Sammelband.
Auf der Webseite des Spiltter-Verlags gibt es eine ausführliche Leseprobe.