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Nicolas Mahler gilt als Minimalist unter Illustratoren und Comiczeichnern. Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" ist dagegen ein dicker Roman, dicht geschrieben mit hohem Anspruch. Im ersten Augenblick erscheint es unmöglich, die inhaltliche Vielfalt dieses Romans in einen 150-seitigen, auch noch minimalistisch gehaltenen Comic zu verarbeiten. Mahler hat den Stoff dennoch versucht, als Comic zu adaptieren ...
Das recht kurze und wortkarge Comicheft ist im typisch minimalistischen Stil Mahlers gehalten. Wenige Striche und nur drei Farben, weiß, grün und schwarz, kommen zur Anwendung. Häufig wechseln Vorder- und Hintergrund dabei von Bild zu Bild die Farbe. Figuren, Häuser und Gegenstände werden zeichnerisch stark vereinfacht dargestellt.
Inhaltlich geht es um zwei Geschichten. Zum einen um einen Mann, der in hohen gesellschaftlichen und mächtigen Kreisen verkehrt. Diese Kreise planen ein historisches Ereignis, ohne eine Idee zu haben, wie dieses aussehen könnte. Zur gleichen Zeit wird der Fall des brutalen Mörders Moosbruggers öffentlich, dessen Leben im Gefängnis parallel erzählt wird.
Nicolas Mahlers Graphic Novel "Der Mann ohne Eigenschaften" ist keine einfache Comic-Ausgabe dieses umfangreichen Romans. Vielmehr bietet Mahler eine eigene Interpretation der Motive dieses Stoffes. Dabei konzentriert er sich auf einige der wesentlichen Handlungsmotive. Das Spannende an diesem Comic-Buch ist weniger der Stoff selbst als die beeindruckende Umsetzung der Motive, die sowohl mit wenigen Worten als auch wenigen Strichen und Farben auskommt.
Mahler verzichtet dementsprechend auf die meisten Figuren des Romans. Außer Moosbrugger werden nicht einmal die Namen der Figuren erwähnt. Genauso bleibt der Comic sehr viel allgemeiner als der Roman. Während es im Roman um die Ausgestaltung des Thronjubiläums des österreichischen Kaisers geht, geht es im Comic allgemein darum, ein historisches Ereignis zu organisieren, was auch immer es sei, Hauptsache es habe historische Größe. Es ist diese inhaltliche Abstraktion, die mit der zeichnerischen korrespondiert. Abstrahiert vom Konkreten geht es in diesem Comicbuch im Grunde nur um die philosophischen Implikationen der behandelten Romanmotive.
Die knappe Handlung und die sparsame zeichnerische Darstellung transportieren dem Leser auf starke Weise, wie verloren die Personen in der Gesellschaft sind und wie schwer es für sie ist einen gemeinsamen Sinn in ihrem Tun zu finden. So kann der Leser diese Graphic Novel in einer halben Stunde lesen, doch er kann Stunden damit verbringen, sich Gedanken über sie zu machen und sie zu interpretieren.
Auch wenn es wenige Striche, Farben und Worten sind, die diesen Band ausmachen, so ist doch jeder Strich und jedes verwendete Wort durchdacht. Denn eines ist sicher: Hätte Mahler noch mehr weglassen können, hätte er dies zweifellos gemacht. Dieser Minimalismus ist deswegen so beeindruckend, weil er den Leser einfach mit seiner inhaltlich dichten Wirkung überrascht. Beileibe kein ganzer Roman, aber komplexe philosophische Gedanken werden hier prägnant ausgedrückt. Diesem Comic sind viele Leser zu wünschen!
Eine Leseprobe gibt es auf der
Verlagswebsite.