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Fast niemand muss in Deutschland hungern; da mag es erstaunen, wie umstritten das Thema "Essen" heute ist. Pferdefleisch in der Lasagne, gentechnisch hergestellte Nahrung, Rinderwahnsinn, Massentierhaltung und viele weitere Reizthemen bestimmten und bestimmen das Tagesgeschehen.
Für das hier besprochene Buch hat der Fotografenverband FREELENS eine Fülle an Fotos zusammengestellt, die sich sämtlich mit Essen befassen: vom Gemüseacker und Stall über Nahrungsmittelfabriken verschiedener Art bis hin zu unterschiedlichsten Wegen der Speisenzubereitung und des Verkehrs. Logisch konsequent zeigt das letzte Bild einen Abwasserkanal.
Eingestreut in die bildlichen Ansichten rund ums Essen findet der Leser und Betrachter neun Essays mit den Titeln "Geiz und Güte!", "Die Not des Handlungsreisenden", "So isst Deutschland", "Das italienische Phantom", "Ein paar Löffel Nostalgie", "Leben und leben lassen – vegane Küche auf dem Vormarsch", "Aus Ü-Ei wird Mousse au Chocolat", "Frisch und lecker? Über die Qualität von Schulkantinen" und "Lob der traditionellen Kochkunst".
Ein Verzeichnis der Fotografennamen mit Kontaktdaten schließt das Buch ab.
Schon allein das Durchblättern dieses großzügig bemessenen Bandes lässt erahnen, welch vielfältige Aspekte mit dem scheinbar schlichten Thema "Essen" verknüpft sind. Natürlich zeigen die Fotos Menschen beim Essen, an den verschiedensten Orten, in unterschiedlichsten Posen und mit einer Vielzahl an Gerichten und Nahrungsmitteln – vom gestillten Säugling bis hin zur pflegebedürftigen, gefütterten Person. Doch wie eingangs bereits erwähnt, gehen die Motive weit über diesen Bereich hinaus. Shrimpsfang, Lebensmittelfabriken, Anbau und Ernte, junge Leute in der Kochausbildung, kleine Plätzchenbäcker, Menschen mit Essstörungen, Schlachtung: all das gehört nebst vielem anderen ebenso dazu wie der ein oder andere skurrile Beitrag, so etwa das, was sich eine Katze bisweilen "draußen" als Ergänzung zum Dosenfutter organisiert, ohne sich an die Rote Liste gefährdeter Tierarten zu halten. Oder ein blutiger, abgetrennter Rinderkopf. Nicht jede Assoziation mit Essen ist für uns appetitlich.
Die meisten Szenen wurden wunderbar ungestellt, ganz natürlich aufgenommen. Osteuropäische Fernfahrer mit einem Propangaskocher verwenden den Kühlergrill der Zugmaschine als Arbeitsplatte, Menschen kaufen auf Märkten und in Lebensmittelläden ein oder stehen an Fließbändern, sie kochen, richten an, pflügen, grillen, backen. Solchen eher dokumentarischen Szenen stehen jene mit eher künstlerischen Ambitionen gegenüber, etwa ein Diptychon mit einem jungen Pärchen vor reichlich Sushi in nüchternem Ambiente links und einem älteren Ehepaar mit gediegenem Esszimmerhintergrund mit erlesenen Gerichten und erhobenen Weingläsern rechts, bewusst gestellt und einander voller bewusst erzeugter Parallelen und Brüche. Oder das Foto "Nachtschicht in der Bäckerei", dessen Lichtsetzung fast an ein Bild von Rembrandt erinnert.
Faszinierende Bilder wechseln sich geradezu rasant ab, es gibt ihrer schier unzählige, oft dicht an dicht, wenn es sich um eine Dokumentation handelt, großformatig und für sich stehend, wenn eine Signalwirkung von dem Foto ausgeht. Texte unter Fotografennamen und Titel erläutern knapp das Wesentliche. Die Essays umfassen je eine Doppelseite.
Veranschaulichend, humorvoll, mit Flair, entlarvend, provozierend, schockierend, ästhetisch, verwirrend – die Fotos lassen sich mit zahlreichen Attributen belegen. Dem Betrachter und Leser erschließt sich die Welt des Essens in seinem Land neu. Es macht Spaß, dieses Buch anzusehen, jedoch nicht an jeder Stelle, und so ist es auch gedacht. Denn zu einem komplexen Thema gehören auch Schattenseiten. Diese kommen nicht zu kurz. Und so entsteht eine fesselnde Mischung aus fast allem, was man mit Essen in Verbindung kann, präsentiert auf qualitativ hochwertigen Fotografien und mittels informativer, kurzweilig verfasster Texte.
Eine
Leseprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.