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Im vierten Roman um den mäßig erfolgreichen Anwalt Joachim Vernau aus Berlin wird dieser mit einem Fall konfrontiert, der ihn auch als Mensch tief berührt: Sein alter polnischer Freund Jacek steht unter Mordanklage - und ebenso seine ehemalige Lebens- und Kanzleipartnerin Marie-Luise, die darüber hinaus zunächst spurlos verschwunden ist. Da der Mord, im Übrigen an einem Deutschen aus Hamburg, in Polen - direkt neben Jaceks kleinem Landgut - stattgefunden hat, kann Vernau dort seine Freunde nicht vertreten und muss sich mit der feindseligen polnischen Kollegin Zusanna herumschlagen.
Den Anfang aber machen mysteriöse Briefe aus der Zeit kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, Liebesbriefe, die ein Schlesier an seine Frau schrieb. Er, mit etwas Glück hinter die Front und nach Hause geraten, muss feststellen, dass Frau und Kinder längst geflohen sind und er rechtlos und gefährdet ist auf seinem früheren Gut, das nicht zuletzt einen ertragreichen Weinberg umfasst. Eine frühere Magd kümmert sich um ihn und versorgt ihn notdürftig, dennoch ist absehbar, dass er irgendwann entdeckt werden wird. Und nur er glaubt daran, dass die Briefe die Adressatin erreichen werden.
Vernau versucht, das Vertrauen von Zusanna zu gewinnen, er unterstützt Marie-Luise und besucht die Verwandten des Ermordeten, nur um herauszufinden, dass die Nachfahren des ehemaligen Gutsbesitzers auf Jaceks Gut etwas extrem Wertvolles vermuten und bereit sind, es sich ohne jegliche Skrupel anzueignen.
Ob man die vorangegangenen drei Bände um Vernau bereits kennt, spielt für die Lektüre oder das Anhören von "Versunkene Gräber" keine Rolle; der Kriminalroman steht für sich. Gleich zu Anfang prallen Vernau und Zusanna aufeinander, und es wird lange dauern, bis sie erkennen, dass sie im Grunde auf derselben Seite stehen.
Immer wieder zeigen die eingeflochtenen Briefe des dem Untergang geweihten Schlesiers auf, wie verzweifelt die Situation von Deutschen im Polen der unmittelbaren Nachkriegszeit war, ebenso jedoch tun sich die Schicksale jener auf, die, selbst von den Russen vertrieben, ihr Land in Besitz nahmen. Mehr und mehr konkretisiert sich dieser Aspekt der Geschichte anhand der individuellen Geschehnisse um drei Familien - eine deutsche, zwei polnische -, ohne dass die Autorin je Partei ergriffe. Im Gegenteil, sie sorgt für ein Verstehen, das schwer zu erreichen ist angesichts des Schmerzes und der Vorurteile, die teils heute noch die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen belasten.
Trotzdem lebt die Geschichte von recht viel Spannung und der einen oder anderen unverhofften Wendung; auch wenn sich kein echter "Whodunnit" ergibt, steht der Täter für den ersten Mord doch ziemlich rasch fest, und auch die Auflösung der sich anschließenden Morde birgt keine Geheimnisse. Es gibt einen temperamentvollen Showdown, auf den ein raffiniert konstruierter Schluss folgt.
Etwas enttäuschend präsentiert sich hier allerdings der Sprecher, der im Allgemeinen nur wie ein Nachrichtensprecher von einer Dokumentation berichtet; meist fühlen sich Hörbuchsprecher intensiv in die einzelnen Charaktere ein und beleben so die Lektüre. Das ist hier nur sehr selten der Fall, sodass der sicher exzellenten Vorlage in der Hörbuch-Edition eine gewisse Trägheit in die Quere kommt.
Die Aufmachung wiederum - zwei mp3-CDs in Einsteckfächern in einem Leporello mit allen nötigen Angaben- gefällt. Also ein etwas zwiespältiger Eindruck. Aber feststeht, dass Elisabeth Herrmann einen gehaltvollen und durchaus spannenden Krimi zu einem schwierigen Thema verfasst hat: mit Bravour!
Eine
Hörprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.