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Man schreibt das Jahr 1924, als die beiden berühmten Alpinisten George Mallory und Andrew Irvine auf ihrer letzten Expedition zum Gipfel des Mount Everest spurlos verschwinden. Für den passionierten, erst 23 Jahre alten Bergsteiger Jake Perry ist diese Nachricht, die ihn auf einer Klettertour am Matterhorn nur zufällig erreicht - sein Proviant ist in die Zeitungsseite mit der Meldung eingewickelt - unfassbar und macht ihn tief betroffen. Mallory und Irvine sind Vorbilder für jeden professionellen Bergsteiger; die Bezwingung des höchsten Gipfels der Welt gilt als die größtmögliche Herausforderung. Und nicht nur das Schicksal von Mallory und Irvine ist ungeklärt, auch der junge Adelige Percy Bromley gehört zu denen, die während der Besteigung des berühmt-berüchtigten Achttausenders verschwanden. Percys Mutter will das Verschwinden ihres Sohnes aufklären und ist bereit, dafür finanzielle Mittel bereitzustellen.
So bricht ein Jahr später eine Expedition zum Mount Everest auf, der neben Jake Perry auch der Brite Richard David Deacon und der Franzose Jean-Claude Clairoux angehören. Die drei befreundeten Bergsteiger sind fest entschlossen, das Schicksal von Mallory, Irvine und dem Rest der Kletterer zu klären. Ihr Weg führt sie zunächst nach Tibet, wo sich zwei weitere Expeditionsteilnehmer anschließen. Was die Beteiligten nicht wissen: Nicht alle von ihnen verfolgen tatsächlich das gleiche Ziel ...
Bereits in seinem Roman "Terror" schickte Dan Simmons seine Leser auf eine düstere Expedition voller Gefahren, Mühen und vor allem Eis, drehte sich die Handlung doch um die berühmte Franklin-Expedition, deren Teilnehmer zwischen 1845 und 1848 beim Versuch, die eisige Nordwestpassage zu durchsegeln, allesamt ums Leben kamen. Eine ähnliche Ausgangssituation bietet auch das neuste monumentale Werk von Simmons, allerdings geht es hier in eisige Höhen, nämlich an den Mount Everest, den höchsten Berg der Welt. Unzählige Legenden und Mythen ranken sich um ihn, häufig basierend auf wahren Begebenheiten - so auch hier: Als Aufhänger wählt Simmons die letzte Expedition von George Mallory und Andrew Irvine, die im Jahr 1924 beim Versuch, den Mount Everest zu besteigen, ums Leben kamen. Mallorys Leiche wurde - in 8150 Meter Höhe und hervorragend konserviert - erst im Jahr 1999 gefunden, ein Sensationsfund, der den Bergsteiger posthum noch berühmter machte. Bis heute ist nicht ganz geklärt, ob Mallory und Irving vor ihrem Tod den Gipfel tatsächlich erklommen haben und wie genau sie ums Leben kamen.
Die gescheiterte Expedition ist der spannende Aufhänger für Simmons' fiktiven Teil der Erzählung - wie so oft vermischt der Autor meisterhaft historische Fakten mit Fiktion und auch ein kleiner (aber wirklich nur subtiler) Hauch des Unerklärlichen, Mystischen und Bedrohlichen weht durch den Roman. Der Klappentext, der "dumpfes Heulen aus dem Schnee" und "verborgene Dinge, die lieber unentdeckt bleiben" verspricht, erweckt hier definitiv falsche Erwartungen. Im Mittelpunkt der Handlung stehen keine unerklärlichen Ereignisse oder gar handfester Horror, sondern die Expedition mitsamt der mühsamen Vorarbeit, die in den 1920er Jahren noch ein ganz anderes Unterfangen war als heutzutage, wo der höchste Berg der Welt scharenweise Touristen anlockt. Dan Simmons hat seine fiktive Everest-Expedition geschickt in eine (ebenfalls fiktive) Rahmenhandlung eingebettet, in der der Autor höchstpersönlich dem inzwischen hochbetagten Jake Perry, dem letzten noch lebenden Expeditionsteilnehmer, begegnet und detaillierte Tagebücher der damaligen Ereignisse von ihm erhält, anhand derer er dann den Roman niederschreibt.
Sehr Simmons-typisch ist der Umfang des ambitionierten Werks: 768 Seiten umfasst "Der Berg" und macht damit seinem Namen alle Ehre. Auch wenn die Seitenzahl Fans von Dan Simmons keinesfalls abschrecken wird, ist hin und wieder ein bisschen Geduld gefragt, denn bis die Protagonisten zum Everest aufbrechen, dauert es etwa 300 Seiten. Doch gerade die minutiösen Schilderungen und die Detailgenauigkeit machen den Reiz von Dan Simmons Werken aus und lassen die Figuren und ihre Handlungen umso authentischer und nachvollziehbarer erscheinen, zumal Simmons wieder einmal bewundernswert akribisch recherchiert hat und sein Sach- und Fachwissen einbringt, ohne dass der Erzählfluss darunter leidet. Wer sich für Abenteuerliteratur mit historischem Hintergrund und für Alpinismus interessant, wird diesen Roman unweigerlich faszinierend finden. Eine sprachgewaltige, detailverliebte, höchst packende Expedition in Buchform, die den Leser, der sich einmal darin vertieft hat, bis zum Ende nicht mehr loslassen wird.
Zur Leseprobe auf der Websites des Verlags: "
Der Berg"