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Julian ist noch ein junger Mann auf dem Weg zum Erwachsenwerden, als er plötzlich feststellt, dass er einfach mal etwas ganz anderes ausprobieren will. Ausgelöst wird diese Entscheidung durch das plötzliche Wiederauftauchen seiner Mutter, die als Musikerin sowieso viel zu oft unterwegs ist und selten Zeit für ihn hat. Deswegen entschließt er sich dazu, sich von seiner Firma nach Afrika schicken zu lassen, um dort ein Projekt zu überwachen. Nur leider geht überhaupt nichts so glatt, wie er sich das vorgestellt hat. Nicht nur, dass das Flugzeug, in dem er reist, abstürzt und dabei eine Person ums Leben kommt, er muss auch noch feststellen, dass die Ideale, für die er einsteht, in der Realität überhaupt nicht existieren. Er lernt die Liebe kennen, aber auch, was es heißt, hilflos mit ansehen zu müssen, wie den Menschen, um die er sich sorgt, wahres Unrecht getan wird. Wirkliches Unrecht, fernab von einer nervenden Mutter. Ein Unrecht, bei dem es um das nackte Überleben geht.
Später, in einem anderen Land, gerät er in einen Fall von Kindesentführung, da er sich mit dem Jungen angefreundet hat, der plötzlich und unerwartet verschwindet, als er mit ihm einen Ausflug macht. Das Schicksal scheint Julian nicht durch Zufall mit dem kleinen Daniel verknüpft zu haben, denn die Suche nach ihm hilft ihm auch, mit seiner eigenen Kindheit ins Reine zu kommen. Und er trifft diese Frau ...
Einige Jahre später versucht Julian in indianischen Riten einen Halt zu finden. Er hat eine neue Freundin, die ihm allerdings immer wieder Untreue vorwirft. Es ist klar, dass sein Weg hier noch nicht zu Ende sein kann.
Zu guter Letzt gibt es etwas, was er für seinen Großvater tun muss, der im Sterben liegt: Er soll seinen Vater finden, der die Familie schon früh im Stich gelassen hat. Julian begibt also auf die letzte große Reise zu sich selbst und seinen Wurzeln und sieht sich nicht nur mit Hass und Angst, sondern auch mit Liebe und neu gewonnenem Vertrauen konfrontiert. Ein Wechselbad der Gefühle, dass ihn zugleich aufwühlt, aber auch endgültig zu sich selbst finden lässt.
"Julian B." ist keine einfache Geschichte, sondern eine über das Erwachsenwerden und das Übernehmen von Verantwortung. Dieser Sammelband enthält alle vier Teile, die jeweils einen wichtigen Lebensabschnitt von Julian beschreiben. Die jeweiligen Handlungsstränge, die jedem Teil ihren Rahmen verleihen, sind mehr oder weniger in sich abgeschlossen. Der Autor hat sich dafür entschieden, eine sehr realistische Geschichte zu erzählen, deswegen lässt es sich nicht vermeiden, dass einige Fragen offen bleiben. Eben ganz wie im echten Leben. Der Protagonist selbst steht ganz klar im Mittelpunkt und die Handlung wird regelrecht um ihn herum gesponnen. Deswegen passiert es auch, dass manche Nebencharaktere nicht ganz so viel Tiefe haben oder Julian einige Menschen nie wieder sieht und somit auch der Leser nicht weiß, wie ihr Leben weiter verläuft. Das ist ein für einem Comic mutiges Konzept, das den Leser zwar an der einen oder anderen Stellen etwas verblüfft und neugierig zurücklässt, es ergibt aber tatsächlich ein authentisches Bild eines Lebenswegs.
Die Episoden aus Julians Leben sind sehr verschieden und passen dazu, wie er sich im Laufe der Zeit entwickelt. Erzählt werden sie auf eine ernste Weise, die aber immer wieder von Kleinigkeiten unterbrochen wird, die den Leser schmunzeln lassen. Zum Beispiel von den beiden älteren Damen, die sich liebevoll darum streiten, wer denn nun den Brief an Julian schreiben und wer die Briefmarke draufkleben darf. Die Autoren Dieter und Michel Plessix haben eine gute Balance zwischen berührenden Szenen und Momenten des Glücks, tief empfundener Verzweiflung und Zufriedenheit gefunden. Einzig dadurch, dass ein recht langer Zeitraum ausreichend beleuchtet werden soll, gehen gerade im ersten Teil des Comics noch einige Emotionen unter, weil einfach alles viel zu schnell abläuft. Der Leser wird erst nach und nach vom distanzierten Beobachter zum mitfühlenden Freund. Vielleicht ging es den Autoren ja ähnlich? Diese kurze Zeit des "sich in die Gefühlswelt Hineinfindens" ist aber schnell verziehen, wenn die letzte Seite gelesen und der Comic beiseite gelegt wurde, denn er ist insgesamt so intensiv und ungewöhnlich, dass man noch lange an Julian und seine Abenteuer denken wird.
Einen ersten Einblick in Julians Welt gewährt die ausführliche Leseprobe auf der Verlagswebseite.
Übrigens: Wer noch mehr von Michel Plessix lesen will, dem seien seine Comicumsetzung von "Der Wind in den Weiden" und die Fortsetzung "Der Wind in den Dünen" empfohlen, denen deutlich anzumerken ist, dass er seine Comickunst im Laufe der Zeit noch deutlich verbessert hat.