Überblickt man die Forschungen zur Literaturwissenschaft, so kann allerorten eine Inhaltsorientierung beobachtet werden. Entgegen dieser Vorliebe wählt Jürgen H. Petersen in dem vorliegenden Werk einen anderen Weg: Er stellt die Art und Weise des Erzählens in den Mittelpunkt. Dabei spielen – so der Autor – "Elemente des Erzählerischen, die narrative Textart und deren Ausprägung" sowie die Erzählform und die Rolle des berichtenden Mediums im Hinblick auf sein Verhältnis zu Erzähltem, zu den Figuren und Geschehnissen eine besondere Rolle.




So ungewöhnlich der Ansatz, so klassisch ist die Grobstruktur des Bandes. Denn Petersen entscheidet sich für einen herkömmlichen, chronologischen Durchlauf, indem er bei den Anfängen der deutschen Erzählprosa um 1500 beginnt und mit den diversen Ansätzen der Postmoderne schließt. Dazwischen liegen gut 450 Jahre deutscher Erzählliteratur. Die Kapitel richtet Petersen nach den gängigen Literaturepochen dieses Zeitraums aus, welche vom Barock über die Aufklärung, Klassik und Romantik bis hin zu Bürgerlichem Realismus, Moderne und Postmoderne reichen.

Für seine Darlegung wählt Petersen einen kursorischen Durchlauf. Anhand verschiedener, mitunter beliebig wirkender Werke durchstreift er gut 500 Jahre Literatur und leitet daraus typische und besondere Erzählformen und Darstellungsweisen der epischen Literatur heraus. Ein Literaturverzeichnis sowie ein Register ergänzen das Buch.

Mit dem vorliegenden Band schließt Jürgen H. Petersen laut Klappentext eine Lücke: Erstmals liege nun eine Formgeschichte der deutschen Erzählliteratur vom 16. bis zum 21. Jahrhundert vor, welche die Art und Weise des Erzählens in den Mittelpunkt stellt. Das lässt einen großen Wurf erwarten. Ein genauerer Blick scheint daher gerechtfertigt. Auffällig ist dabei zunächst einmal, dass Petersen trotz seiner formgeschichtlichen Ausrichtung an vielen Stellen des Bandes auch inhaltliche Aspekte miteinbezieht. So wird deutlich, dass eine derartige Formgeschichte auf vielfältige Weise mit den Inhalten der entsprechenden und erwähnten Werke verwoben ist, was ja auch richtig ist, da die Form an sich wenig aussagekräftige Erkenntnisse liefert. Denn erst durch das Zusammenspiel von Form und Inhalt kreiert ein literarisches Werk Sinn.

Die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens steht somit nicht zur Diskussion, die Frage ist vielmehr, ob diese Herangehensweise nicht ein typisches Vorgehen in der Literaturwissenschaft darstellt, so dass der Verdienst des Bandes eher in einer systematischen Aufschlüsselung des Zusammenspiels von Form und Inhalten liegt. Doch auch dies kann der Band nicht leisten. Vielmehr startet Petersen einen mehr oder weniger kursorischen Durchlauf, der zwar die unterschiedlichsten Spielarten des "Erzählkunst" anhand von zahlreichen Beispielen herausfiltert, diese aber nicht in eine systematische "formgeschichtliche" Ordnung bringt. Das zeigt sich auch daran, dass Petersen seine Kapitel ganz klassisch nach den gängigen Literaturepochen ausrichtet.

Auch wenn der Band somit kein Buch ist, welches größere "formgeschichtliche" Entwicklungslinien herausarbeiten kann, so hat Petersen im Kleinen durch seine zum Teil recht unkonventionelle Primärtextauswahl einen speziellen Blick für besondere Erzählverfahren, wodurch er im Rahmen der angeführten Beispiele durchaus so manche raffinierte Spielart des Erzählens destilliert.

FAZIT: Sicherlich nicht der ganz große Wurf, dennoch schärft der Band den Blick für besondere erzählerische Verfahren und dürfte neben Literaturwissenschaftlern vor allem für jene Leser interessant sein, die aufgeschlossen sind für die vielfältigen Formen des Erzählens jenseits der seichten Unterhaltungsliteratur.

Weitere Informationen zum Buch sowie ein Blick ins Inhaltsverzeichnis finden sich auf der Webseite des Verlags.