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Im Februar 1914 stießen Steinbrucharbeiter an der Rabenlay in Bonn-Oberkassel unverhofft auf eine wissenschaftliche Sensation: Verborgen unter Basaltplatten und rötlich verfärbtem Sediment fanden sie die Skelettresete zweier Menschen und eines hundeartigen Tieres sowie Kunstgegenstände und weitere Tierknochen.
Es ist eine faszinierende Zeit, in welcher der Mensch noch ganz im Einklang mit der Natur lebte. Eine Zeit, welche jedoch auch geprägt war von den sich verändernden Umweltbedingungen. In diese Zeit wurden auch ein Mann, eine Frau und ein Hund hineingeboren, deren Überreste 1914 bei Steinbrucharbeiten entdeckt wurden. Sie lebten vor rund 14.000 Jahren im Raum Oberkassel und wurden an der Fundstelle in einem Doppelgrab beigesetzt. So finden sich im Umfeld auch einige Grabbeigaben, die einen tieferen Blick in die damalige Lebenswelt ermöglichen. Die Besonderheit des Fundes liegt jedoch vor allem darin, dass diese beiden späteiszeitlichen Menschen zu den "ältesten Funden anatomisch moderner Menschen (Homo sapiens sapiens) in Deutschland" gehören.
Lange Zeit von der Forschung nur stiefmütterlich berücksichtigt, erschließt nun bereits seit 2008 ein internationales und multidisziplinäres Projektteam den Fund. Dabei wurde nicht nur das Gelände nochmals nach weiteren Überresten durchforstet, sondern auch neuere Untersuchungsverfahren wie die DNA- oder Gebrauchsspuren-Analyse angewandt, welche weitergehende Erkenntnisse zur Lebenswelt der beiden Menschen und ihres tierischen Begleiters liefern. In dem nun vorliegenden Ausstellungsband werden die Ergebnisse dieser Bemühungen nun als Essayband gebündelt zusammengefasst und einem breiteren Publikum vorgestellt.
Selten wurde die Welt der Jäger und Sammler in der späten Eiszeit derart anschaulich und plastisch dargelegt wie in diesem Ausstellungsband. Dazu tragen nicht nur die zahlreichen Abbildungen bei, sondern auch die kurzweilige Gesamtkonzeption des Bandes. Denn die einzelnen Essays offenbaren die ganze Vielfalt des Spätpleistozäns. So erfahren Leser nicht nur etwas über die Ernährung oder die Kunst der späteiszeitlichen Menschen, sondern auch viel Wissenswertes zur Tier- und Umwelt. Auch wenn ausgehend vom Fund des Doppelgrabes in Bonn-Oberkassel die spätsteinzeitliche Lebenssituation am Rhein im Mittelpunkt steht, lassen sich in vielen Beiträgen allgemeingültige Erkenntnisse entdecken. Gezielt versuchen die Autoren auch auf vergleichbare (bekanntere) Funde oder Ereignisse zu verweisen, anhand derer die Lebensumstände klarer und nachvollziehbar werden. Eine besondere Stärke des Bandes liegt sicherlich in der interdisziplinären Herangehensweise. Auf diese Weise wird der Fund aus Bonn-Oberkassel aus den verschiedensten Blickwinkel beleuchtet und in die unterschiedlichsten Kontexte eingebettet. Hinzu kommt, dass die Beschreibung neuartiger methodischer Verfahren wie die Gesichtsrekonstruktion der beiden Toten anhand der Skelettreste einen einzigartigen Einblick in die fast schon kriminalistischen Forschungsbemühungen der Wissenschaftler bieten.
Die Essays selbst sind allesamt trotz der hohen inhaltlichen Qualität gut zu lesen und bringen die wichtigsten Aspekte klar auf den Punkt. So spricht der Band auch ein breites Publikum jenseits der Fachwissenschaft an. Gleichwohl verzichtet der Band nicht auf methodische Erläuterungen, die zwar mit der Verwendung von Fachsprache einhergehen, dennoch aber allgemeinverständlich bleiben.
Bei den bereits angesprochenen Abbildungen, welche durchgehend farbig sind, handelt es sich zum einen um Fotografien diverser Funde und zum anderen um Grafiken oder Karten. Hinzu kommen vereinzelte Rekonstruktionszeichnungen, die bei aller Kritik hier nicht nur Sinn machen, sondern es vor allem Nichtwissenschaftlern ermöglichen, in die faszinierende Welt der "Eiszeitjäger" einzutauchen. Mit dem reich bebilderten Band können Leser somit eine Vorstellung dieser späteiszeitlichen Lebenswelt entwickeln. Insbesondere die abgebildeten Funde werden zudem an ausgewählten Stellen durch einen schwarzen Hintergrund ästhetisch ansprechend in Szene gesetzt. Die Abbildungen sind außerdem gut mit dem Inhalt der Texte abgestimmt, was nicht zuletzt daran deutlich wird, dass innerhalb der Texte auf diese verwiesen wird. Zu kritisieren ist lediglich, dass einzelne Karten nicht mit einer Legende versehen sind.
FAZIT: Ein kurzweiliger Ausstellungsband, der auf anschauliche und allgemeinverständliche Art und Weise die faszinierende Lebenswelt der späteiszeitlichen Menschen in Mitteleuropa darlegt.
Weitere Informationen zum Buch, ein Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.