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Im Jahr 1490 beschließt der junge Salaï ausgerechnet etwas aus der Werkstatt von Leonardo da Vinci zu stehlen. Dummerweise wird er dabei erwischt. Aus der Fassung bringt ihn das nicht, er zeigt noch nicht einmal Respekt, als der Künstler selbst ihn zur Rede stellt. Anders als erwartet, verweist ihn Leonardo jedoch nicht des Hauses, sondern gewährt ihm einen Platz an seiner Seite. Mit seinen Locken und dem kecken Lächeln hat Salaï Leonardos Herz für sich gewonnen. Als sein Schüler, Vertrauter und Geliebter wird er zu einem wichtigen Teil von da Vincis Leben.
"Leonardo & Salaï" ist der erste von zwei Bänden, in denen Benjamin Lacombe und Paul Echegoyen das Leben von Leonardo da Vinci mit einem Fokus auf Salaï zeigen.
Die Graphic Novel zeigt sich als ein eher untypischer Vertreter seiner Gattung. Es werden historische Figuren beschrieben und Werke da Vincis wiedergegeben. Dass nach wie vor nicht sicher geklärt wurde, in welcher Beziehung Salaï und Leonardo wirklich miteinander standen wurde ausgeklammert, in ihrer Darstellung wird eine tiefe Liebe zwischen den beiden Männern vorausgesetzt. Auch die Entstehung der Zeichnungen ist interessant und ungewöhnlich. Paul Echegoyen hat ausschließlich die Hintergründe gezeichnet, während Benjamin Lacombe sich für die Figuren verantwortlich zeigt. Seine Bilder sind in Deutschland bereits durch verschiedene Bildbände bekannt geworden und er hat einen einzigartigen Zeichenstil. Ein weicher Strich und ein feines Gefühl für Licht und Schatten lassen seine Figuren sehr lebendig erscheinen. Die großen Augen verleihen ihnen eine gewisse Niedlichkeit und Attraktivität. Für diese Graphic Novel bleibt er sich selbst treu, hat die Figuren aber doch angepasst, sodass sie in den historischen Kontext passen. Die Farbwelt beschränkt sich hauptsächlich auf Sepia-Töne gemixt mit Grau. Nur (Leonardos) Kunstwerke stechen farblich hervor, egal ob es sich um Teile der Geschichte oder die doppelseitigen Illustrationen handelt. Diese großen Bilder stellen ein Highlight des Bandes dar. Im großen Format und losgelöst von der Geschichte sieht der Leser zum Beispiel das Abendmahl oder die Mona Lisa in einem Mix aus dem Original von da Vinci und Lacombes Stil. Dazu kommen kunstvolle Illustrationen, die bestimmte Stimmungen der Geschichte einfangen, zum Beispiel ein Bild von den Protagonisten in einer innigen Umarmung.
Der erste Eindruck einer leichten Comiclektüre täuscht. Die Handlung hat Tiefgang und orientiert sich sehr genau an da Vincis historisch belegtem Lebenslauf. Allerdings bleibt dabei auch die Spannung ein wenig auf der Strecke. Es steht deutlich die Kunst im Vordergrund und nicht die Handlung. In kurzen Episoden werden einzelne, wichtige Abschnitte aus dem Leben da Vincis gezeigt. Es wurde deutlich mehr Wert auf Authentizität als auf einen fesselnden Spannungsbogen gelegt. Das sollte dem Leser bewusst sein. Außerdem ist der Verlauf der Geschichte nicht immer intuitiv und einfach zu durchschauen. Es wird vorausgesetzt, dass der Leser wenigstens grob mit Leonardo da Vincis Leben und seinen Werken vertraut ist oder die Bereitschaft zeigt, sich mit den Hintergründen zu befassen. Für einen groben Einstieg enthält der Band am Ende eine doppelseitige Tabelle mit den Lebensdaten Leonardos von 1452 bis 1506.
Sehr gelungen ist die Aufmachung des Buches. Neben einem redaktionellen Teil mit einem Interview mit Lacombe und Echegoyen sind außerdem einige Skizzen und Ausschnitte aus dem Storyboard zu sehen. Eine Doppelseite, die der Geschichte vorangestellt ist, zeigt Zitate da Vincis in einer schönen, grafischen Aufmachung.
Insgesamt ist "Leonardo & Salaï" eine sehr künstlerische, hochwertige und intellektuell anspruchsvolle Graphic Novel. Will der Leser aber nicht nur die wundervollen Bilder genießen, sondern auch die Handlung in all ihren Facetten begreifen, sollte Hintergrundwissen zu Leonardo da Vinci vorhanden sein.