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Splitter lässt mit der Gesamtausgabe von "Der weiße Lama" eine Comicserie von Anfang der 1990er Jahre wieder aufleben. Alejandro Jodorowsky erzählt auf surreale Weise die Geschichte des tibetanischen Kampfes um Unabhängigkeit und verwebt sie dabei mit dem tibetanischen Buddhismus.
Irgendwann im 19. Jahrhundert träumt der Lama von einem Kind, das sich von einem Papierdrachen in die Höhe tragen lässt, als ein Propeller-Flugzeug, aus Sicht der Tibetaner noch eine unbekannte Maschine, auftaucht und das Kind erschießt. Es fällt zu Boden und der Lama erwacht. Er sieht eine Invasion auf Tibet zukommen und beschließt seine körperliche Hülle abzulegen, um in einem Kind wiedergeboren zu werden und dadurch Tibet in der drohenden Gefahr besser führen zu können. Parallel besucht ein britisches Ehepaar Tibet und wünscht dort sein Kind zu empfangen. Nach einigen Verwicklungen wird dieses Kind schließlich die Reinkarnation des Lama und zum Auserwählten im Kampf um Tibets Unabhängigkeit ...
Alejandro Jodorowskys "Der weiße Lama" ist ein Kolonialepos, das den Kampf um Freiheit aus Sicht Tibets erzählt. Es ist aber noch mehr, da der Autor diesen Freiheitskampf mit der buddhistischen Religion auf eine surreale Weise verbindet. Reale Geschichte und religiöse Mythen schaffen eine traumhafte Wirklichkeit, die den Hintergrund einer mitreißenden Geschichte bildet. Georges Bess hat dieser Story bildgewaltig die passende Visualisierung gegeben.
Der gesamte Plot ist sehr originell. Der Freiheitskampf eines Landes gegen Kolonisatoren wird so erzählt als wären die religiösen Mythen und Legenden genauso wirklich wie die Gewehre der Engländer. Harte Wirklichkeit und Metaphorik verschwimmen in dieser Erzählung. Der Leser muss eine solche surreale Erzählweise mögen, aber wenn er sich darauf einlässt, wird er mitgerissen und will die knapp 300 großformatigen Seiten am Liebsten in einem Rutsch durchlesen.
Das liegt aber auch an den Zeichnungen, die durchweg mit kräftigen Farben und vielen Details eine dichte Atmosphäre schaffen. An einigen Stellen vielleicht mit etwas zu viel Blut fängt die Illustration die Tragik und Dramatik der handelnden Figuren gut ein. Das Epische dieser Geschichte wird durch zahlreiche großformatige Bilder, etwa Landschaften und Schlachten, transportiert. Das Schicksal der einzelnen Figuren geht so auch visuell in den historischen Stoff auf und verleiht ihnen zusätzliche Tragik.
Fazit: Eine tolle Gesamtausgabe, die eine originelle und epische Erzählung wieder aufleben lässt. Vielleicht durch ihre surreale Verbindung zwischern realer Geschichte und buddhistischer Religion für manche zu esoterisch anmutend, aber dennoch erzählerisch und zeichnerisch ein Meisterwerk.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebiste.