Viele Frauen haben die Künste, aber auch das gesellschaftliche Leben geprägt, ohne dass sie in der Weise in Erscheinung treten wie ihre männlichen Pendants das mit aller Selbstverständlichkeit taten und tun. "Man" kennt sie, gewiss - doch präsent sind sie nicht, wenn nicht ein besonderer Jahrestag oder eine Ausstellung jenseits des "Mainstreams" sie in das Licht der Öffentlichkeit rücken.

Im hier besprochenen Buch werden zwanzig bedeutende Frauen in biografischen Miniaturen präsentiert: Das Kapitel "Von Innen" enthält Gedanken zu Annette von Droste-Hülshoff, Mascha Kaléko, Astrid Lindgren, Eileen Grey und Pia Bausch. "Nach Außen" stellt Karen Horney, Irmtraut Morgner, James Tiptree, Jr., Niki de Saint Phalle und Regine Hildebrandt vor. In "Zum Du" treten George Sand, Else Lasker-Schüler, Käthe Kollwitz, Elsa Brandström-Ulich und Sophie Scholl auf. "Und zur Gesellschaft" porträtiert schließlich Luise V. Gottsched, Bertha von Suttner, Rosa Luxemburg, Dorothea Lange und Marie Jahoda.

Den Miniaturen voraus geht ein Vorwort; im Anhang findet der Leser Lebensdaten der Protagonistinnen sowie Notizen zum Autor.

Große Frauen: Der Querschnitt, den das Buch anbietet, hat nicht nur seinen Reiz, sondern dürfte auch auf allgemeine Zustimmung stoßen. Diese Frauen haben Enormes geleistet, oftmals entgegen dem jeweiligen Zeitgeist, ganz ihrem Gewissen und Willen verpflichtet - für damalige Zeiten sehr ungewöhnlich. Hier und da griffen sie auf Pseudonyme zurück, was in der Tiptree-Biografie sehr schön herausgearbeitet wird. Und immer wieder gerieten sie mit der herrschenden Moral in Konflikt: Hierzu nimmt etwa die Ausführung zu George Sand intensiv Stellung.

Die Zusammenfassung der Biografien in die erwähnten Gruppen oder Kapitel wurde mit Bedacht vorgenommen, und so vermag der Leser auch jenseits der Chronologie Zusammenhänge im Denken, Fühlen und Handeln zu erkennen. Jede Miniatur enthält neben den Ausführungen des Autors Zitate, sodass eine unmittelbare Annäherung auch ohne gründlichere Kenntnis der jeweils porträtierten Frau möglich ist. Erfreulich sensibel hat der Autor die einzelnen Persönlichkeiten dargestellt, sodass diese nicht nur anhand von Daten und Aufzählungen, sondern vor allem auch als Menschen mit einem individuellen Hintergrund, mit Erfahrungen von Leid, Schmerz und Glück auftreten können. Dennoch ufert hier nichts aus, so verlockend das wäre: Das Buch bleibt sachlich und seinem Anspruch treu.

Was fehlt, sind ganz klar die Persönlichkeiten aus dem naturwissenschaftlichen Bereich: etwa Marie Curie oder Lise Meitner, auch sie kreativ auf eine vielleicht weniger populäre und für den "Mainstream" evidente, dennoch für die Fortentwicklung der Menschheit wesentliche Weise. Sich in dieser Männerdomäne hochzukämpfen, ist eine Leistung, die gar nicht ausreichend gewürdigt werden kann. Immerhin erhielt Curie zwei Nobelpreise, was sie auch unter den Männern heraushebt. Und ohne Meitner hätte Otto Hahn seinen Nobelpreis vermutlich nicht erhalten, der anteilig auch ihr gebührt hätte.

Wo sind zudem die Musikerinnen? Ein Beispiel wäre Clara Schumann, die, selbst als Komponistin ungemein kreativ, immer hinter ihrem Mann Robert zurückstand, und deren Biografie von Verzicht und Schmerz trotzt. Auch in der Musik wurden Frauen geringgeschätzt und mussten meist sehr viel mehr leisten als die Männer, um Anerkennung zu finden.

Dichterin zu sein, Revolutionärin oder Politikerin, war in der Vergangenheit nicht einfach, das zeigen die gelungenen Miniaturen in "Große Frauen-Portraits". Dass Frauen jedoch auf noch wesentlich mehr männlich dominiertem Terrain Fuß fassen konnten, das auch Kreativität erfordert - vielleicht in einem komplexeren Sinne -, wird ignoriert. Das ist schade. Auch über Porträtfotos würde sich der Leser freuen. Dennoch ein gelungenes kleines Werk!