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Ein kleines Mädchen namens Sara wird ermordet, offensichtlich ertränkt, aufgefunden. Sara lebte in der Nachbarschaft des Polizisten Patrik Hedström, und ihm kommt nun die unangenehme Aufgabe zu, Freunden zu erklären, dass ihre Tochter getötet wurde. Übrigens, wie sich herausstellt, nicht im Meer, wo sie gefunden wurde, sondern ... in einer Badewanne.
Wer sollte ein Kind töten? Ein sexuelles Motiv scheint nicht vorzuliegen. Während Patrik und seine Kollegen ermitteln, tut sich in dem kleinen Ort Fjällbacka ein Abgrund nach dem anderen auf. Als hätten sie nur auf einen Auslöser gewartet, kommen widerwärtige Geheimnisse ans Licht. Allerdings helfen sie bei der Aufklärung von Saras Tod nicht wesentlich weiter. Und die Zeit drängt, werden doch auch andere Kinder bedroht. Der Schlüssel scheinen Geschehnisse aus lange vergangenen Jahrzehnten zu sein. Doch erst ein weiterer Tod offenbart schließlich die Geschichte um Saras Ermordung.
Von Anfang an entwickelt sich "Die Töchter der Kälte" anhand von zwei Handlungssträngen, zum einen dem gegenwärtigen, in dem zunächst Sara, eine Grundschülerin, zu Tode kommt, und dann dem anderen, der über einige Jahrzehnte im frühen und mittleren 20. Jahrhundert spielt; hier wird das Lebensbild einer extrem verwöhnten, anfangs jungen und sehr attraktiven Frau nachgezeichnet, die plötzlich zu Fall kommt und sicher ist, ein Leben unter sehr einfachen Bedingungen nicht verdient zu haben – und die skrupellos versucht, in die gesellschaftlichen Kreise einzutreten, die ihr ihrer Meinung nach zustehen.
Für die Ermittler der Gegenwart gibt es viel zu tun: Als wäre ein Kindsmord nicht schlimm genug, wirkt der kleine Ort Fjällbacka plötzlich wie mit allen erdenklichen Leiden geschlagen. Fast möchte der Leser Saras Stief-Großvater um seinen plötzlichen, vorläufig unerklärlichen physischen Verfall beneiden. Sara selbst litt an ADS, ein Verdächtiger kann mit dem Asperger-Syndrom, einer leichten Form des Autismus, aufwarten, Pädophilie spielt ebenfalls eine Rolle, Prozesshansel machen einander das Leben schwer, und außerdem gibt es eine extrem narzisstisch und insgesamt psychopathisch veranlagte Protagonistin. Patriks Frau bringt sich mit einer postnatalen Depression und einem Schreibaby ein, aus Egoismus altruistische Mütter und Schwiegermütter sorgen für Verzweiflung … Liebe Güte, wenn die Menschheit noch an krank machende Miasmen glaubte, wären diese im kleinen Fjällbacka hoch konzentriert.
Während die Frauen im Roman sämtlich voller Probleme sind und ihren Männern das Leben schwer machen, besitzen diese größtenteils eine unendliche Geduld und wirken entsprechend langweilig. Auch Protagonist Patrik fällt leider unter diese Kategorie. Seine Frau und ihre Freundin, Saras Mutter, wirken in der heutigen Zeit völlig deplatziert: Sie arbeiten nicht, sondern geben sich ihren echten und vermeintlichen Leiden hin, und ihre Männer müssen nach getaner Erwerbsarbeit noch alle rund um den Haushalt anfallenden Arbeiten erledigen und Probleme lösen. Kurz, der Roman strotzt nur so von Klischees und von hölzernen, nicht wirklich lebendig wirkenden Charakteren.
Trotzdem ist die Handlung spannend, und bei allem Murren mag der Hörer die CDs nicht gern vor dem Ende resignierend zur Seite legen. Denn Camilla Läckberg versteht sich bestens auf Spannungsbögen, darauf, dem Hörer oder Leser unmittelbar vor einem Perspektivwechsel höchste Spannung zu servieren, und am Ende wartet trotz einer gewissen Vorausahnung doch eine Überraschung. Diesbezüglich stimmt alles – wären da eben nicht die Charaktere, die zu sehr an eine abgeschmackte Vorabendserie erinnern.
Ulrike Hübschmann liest erfrischend gut; es gelingt ihr, die etwas faden Figuren ein wenig zu beleben und die Spannung ordentlich voranzutreiben. Das tut dem Buch gut. Läckberg-Fans werden es natürlich ohnehin hören wollen, und sie werden zufrieden sein. Wer aber einen anspruchsvollen, subtil aufgebauten, so sozialkritischen und psychologisch fundierten wie unter Berücksichtigung aller schriftstellerischen Tricks spannungsdurchwobenen Schwedenkrimi erwartet, sollte sich auf solides Handwerk einstellen: Das Buch ist hörenswert, aber sicher kein "Must have".