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Vertriebene sind wir, Verbannte. Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns da aufnahm.
(Bertolt Brecht im Gedicht "Über die Bezeichnung Emigranten", 1937)
Für viele deutschsprachige Schriftsteller bedeutete die Zeit des Nationalsozialismus eine tiefgreifende Zäsur in ihrem Schaffen. Wie in dem vorangestellten Zitat von Bertolt Brecht deutlich wird, bedeutete die Machtübernahme Hitlers für viele Literaten den Weg ins ungeliebte Exil. Doch die deutschsprachige Literatur in der Zeit zwischen 1933 und 1945 allein auf die Exil-Literaten zu reduzieren, greift bei Weitem zu kurz, um die ganze schriftstellerische Vielfalt dieses Zeitabschnitts zu fassen. Mit der vorliegenden Überblicksdarstellung geht der in Jena lehrende Germanist Gregor Streim dieser Vielfalt nach.
Neben den diversen Spielarten der Exil-Literatur thematisiert der Autor vor allem auf das literarische Schaffen innerhalb des Deutschen Reiches. Die Bandbreite reicht dabei von der sogenannte "inneren Emigration", einem geistigen Rückzug der im Deutschen Reich verbliebenen Schriftstellern, bis hin zu einer Aktionslyrik, welche ganz im Dienste der nationalsozialistischen Propaganda stand. Ferner geht Streim immer wieder auf die Produktionsbedingungen deutschsprachiger Schriftsteller innerhalb und außerhalb des Deutschen Reiches ein. Auch literaturpolitische Debatten nehmen einen breiten Raum im Band ein. Nicht zuletzt arbeitet Streim anhand von exemplarischen Werken zentrale Züge und Motive jener Literaturepoche heraus.
Die Besonderheit dieses Bandes liegt sicherlich darin, dass Georg Streim die so disparat erscheinende Literaturepoche zwischen 1933 und 1945 in eine Gesamtdarstellung münden lässt. Er durchbricht damit die oftmals vorzufindende Aufspaltung in "Exilliteratur" und "Literatur im Nationalsozialismus".
Überzeugend arbeitet Gregor Streim die zentrale Stränge des literarischen Schaffens in dieser Zeit heraus. Immer wieder erfolgt dies über exemplarische Betrachtungen und Analysen. So dient beispielsweise die Kontroverse zwischen Gottfried Benn und Klaus Mann dazu, die grundlegenden Differenzen zwischen "Emigranten" und "Daheimgebliebenen" darzulegen. Anhand von einzelnen Werken wie Anna Seghers Roman "Transit" oder Ernst Jüngers "Auf den Marmorklippen" arbeitet der Autor zudem zentrale "Strategien der Metaphorisierung des Exils" beziehungsweise mögliche Lesarten im historischen Kontext heraus. Zum Teil geht Streim auch über den engen Literaturbegriff hinaus, indem er den Spielfilm "Jüd Süß" als paradigmatisches Beispiel für eine antisemitische Ausrichtung des nationalsozialistischen Kulturschaffens miteinbezieht. Auch Leni Riefenstahls Film "Triumph des Willens" ist ein Abschnitt gewidmet.
Trotz der Tatsache, dass die Überblicksdarstellung auf umfangreicher Sekundärliteratur fußt, enthält der Band sowohl eigene begriffliche Akzentuierungen sowie Beurteilungen. Auf diese Weise bringt der Autor zum Beispiel die schwierige literaturgeschichtliche Bestimmung der "inneren Emigration" mit der Bezeichnung "Ambivalenz gegenüber dem Nationalsozialismus" trefflich auf den Punkt. Genauso erkennt er im gleichen Zusammenhang folgerichtig, dass
"Geschichten vom Rückzug des Einzelnen in ein geistiges 'inneres Reich' und religiös-mythische Erzählungen" bereits in der Weimarer Republik vorzufinden waren. Überhaupt gelingt es Streim das Thema gleichsam konzise und tiefblickend zu bearbeiten, indem er an geeigneten Stellen die stringente Darstellungsform durchbricht und mittels Fallbeispielen zentrale Motive und Haltungen offenlegt.
FAZIT: Der Band bietet einen übersichtlichen und zugleich tiefgründigen Überblick in eine sehr vielschichtige literaturgeschichtliche Epoche voller Gegensätze und Widrigkeiten.
Weitere Informationen zum Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.