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 Nürnberg

Menschheitsverbrechen vor Gericht 1945

Autoren: Thomas Darnstädt
Verlag: Piper

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
"Frieden durch Gerechtigkeit" - Die Idee des Chefanklägers Robert H. Jackson klingt verlockend und war dennoch alles andere als ein Selbstläufer. Denn bereits im Vorfeld der Nürnberger Prozesse gab es kontroverse Meinungen, wie mit den Verantwortlichen des nationalsozialistischen Angriffskriegs umzugehen sei. So vertrat kein geringerer als Winston Churchill im Jahre 1943 noch den sogenannten "Outlaw-Plan", wonach lediglich die Identitäten der Täter zu klären seien, bevor sie erschossen werden sollten. Auch die Vorstellungen der Sowjetunion bezüglich der Anklagepunkte unterschieden sich von denjenigen der USA. Schließlich waren sie ja im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges zeitweilig im Pakt mit Hitler und profitierten auch nach 1945 von den damals getroffenen Vereinbarungen, die ihnen einen territorialen Zuwachs auf ehemals polnischem Gebiet bringen sollten. Und selbst bei den westlichen Verbündeten gab es so manche Ressentiments bezüglich der amerikanisierten Prozessordnung. Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen wurde der Prozess am 20. November 1945 Wirklichkeit und markierte damit die Geburtsstunde des Völkerrechts.

In einer Zeit, in der Frieden zu schließen so schwierig geworden ist, kann jedes Detail wichtig sein. Die Geschichte von Nürnberg ist noch lange nicht zu Ende.


"Wie macht man Frieden?" - Angesichts der zahlreichen Kriege und Konflikte im Jahre 2016 scheint diese Frage wichtiger denn je und ist doch so schwer zu beantworten. Vielleicht liegt die Lösung ja in der Vergangenheit. Immerhin geschah vor 70 Jahren etwas ganz Erstaunliches: Obwohl die Alliierten allen Anlass gehabt hätten, nach der bedingungslosen Kapitulation eine klassische Siegerjustiz zu betreiben, wählten sie einen anderen Weg. Sie stellten die Verantwortlichen vor ein Gericht und machten ihnen in einem ordentlichen Verfahren den Prozess. Ein absolutes Novum in der Weltgeschichte!

Ganz in diesem Sinne stellt der Jurist und Journalist Thomas Darnstädt an vielen Stellen seiner sehr lesenswerten Darlegung der Nürnberger Prozesse immer wieder die Besonderheiten heraus, die diesen Prozess als Wendepunkt der Völkerrechtsgeschichte markieren. Keinesfalls verzichtet er dabei darauf, auch die Kontroversen und Schwierigkeiten im Vorfeld und Verlauf des Prozesses zu benennen sowie die historische Rechtslage zu berücksichtigen - beispielsweise indem er auf den Kellogg-Briand-Pakt als einzigen Versuch vor 1945 verweist, der die Diplomatie vor einen Angriffskrieg stellte.

An ausgewählten Stellen beschäftigt sich der Autor sehr eng mit den zentralen Prozessakten, so dass selbst ein Semikolon in der Charta von London, der Rechtsgrundlage des Internationalen Militärtribunals, zum Gegenstand der Betrachtung wird. Auch finden sich detaillierte Anmerkungen, wodurch der Leser beispielsweise erfährt, dass nicht alle in der Anklageschrift genannten "NS-Größen" in Nürnberg vor Ort waren - sei es weil sie sich bereits umgebracht hatten oder noch als verschollen galten. Durch diese präzisen Zusätze bringt Darnstädt selbst juristische Winkelzüge nachvollziehbar auf den Punkt gebracht.


Ein Bündelchen Papier, das die Welt bewegen würde. Fünfundsechzig Seiten: Die kurze Geschichte eines Verbrechens gegen die Menschheit.


Immer wieder rücken in dem Buch die Menschen hinter den Prozessen in den Vordergrund, was der Darstellung neben einer vielfältigen Perspektivität sehr viel Lebendigkeit verleiht. Mitnichten konzentriert sich der Verfasser dabei nur auf die Größen des Geschehens. Nein, er hat auch "Nebendarsteller" wie den 29-jährigen britischen Major Airey Neave im Blick, der dazu ausersehen war, die Anklageschrift den Inhaftierten im Gefängnis zu überreichen. Schließlich ist an allen Ecken des Buches zu sehen, dass Darnstädts Buch auf umfangreichen Literatur- und Archivrecherchen beruht, die so manche erstaunliche Details ans Licht bringen. Der Leser erfährt auf diese Weise nicht nur, dass trotz aller Bemühungen um einen rechtsstaatlichen Prozess die Verteidiger in der Prozessordnung zunächst schlicht und ergreifend vergessen wurden, sondern auch, dass ein ganzer Laster mit Prozessakten auf dem Weg nach Nürnberg ein Opfer des Feuers wurde, weil sich die Fahrer mit einem Teil der Akten ein Feuer gegen die Herbstkühle machen wollten.

FAZIT: Ein starkes Stück Justizgeschichte - präzise erläutert, lebendig verfasst und durch und durch voller interessanter Details!

Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 11. Mai 2015 | ISBN: 9783492056847 | Preis: 24,99 Euro | 416 Seiten | Sprache: Deutsch

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