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 Edelweiß

Meine Jugend als Widerstandskämpferin

Autoren: Gertrud Koch
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch


Eine Jugend als Widerstandskämpferin? Wer da an die Weiße Rose denkt, denkt nicht weit genug. Gertrud Koch war auch im Dritten Reich gegen Hitler aktiv, und zwar als so genannte Edelweißpiratin. Damals hieß sie noch Gertrud Kühlem, ihr Vater war Kommunist und starb im Moor-KZ, seine Tochter setzte die Arbeit im Widerstand fort.

Gertrud ist eigentlich ein ganz normales Mädchen im Vorkriegsköln. Wenn nur nicht der ständige Stress wäre, weil der Vater immer wieder abgeholt wird, immer wieder ins Gefängnis oder sogar ins KZ gesteckt wird. Ein weiteres Problem ist, dass sie sich der Hitler-Jugend (HJ), genauer dem Bund deutscher Mädel fern hält. Vor der Gleichschaltung der Jugendorganisationen in der HJ war Gertrud bei der bündischen Jugend, einer eigentlich unpolitischen Jugend, die sich auf Wanderungen und fröhliche Zeltlager spezialisiert hatte. Mit Freunden aus Köln und Düsseldorf betreibt sie eine inoffizielle Gruppe weiter, und die wird mit der Zeit sehr politisch. Mit dem Namen "Edelweiß" - "die Piraten" kam erst im Sprachgebrauch der Nazis auf und wurde teilweise auch von den Edelweiß-Leuten als Ehrenbezeichnung angenommen - verbinden die jungen Leute die Berge und das Fernweh.

Aber während sich die älteren Navajos aus der Südstadt Kölns hauptsächlich damit vergnügen, HJ-Streifen zu verprügeln und die Ehrenfelder - die bekanntesten Edelweißpiraten Kölns aus dem Stadtteil Ehrenfeld - auch mit halbwegs gewalttätigen Aktionen gegen das Regime kämpfen, ist die Gruppe um Gertrud Kühlem hauptsächlich mit Flugblättern und Parolen an Hauswänden und Eisenbahnwaggons beschäftigt. Die spektakulärste Aktion ist ein Flugblattregen aus der Kuppel des Hauptbahnhofs. Aber die Edelweißen haben auch Probleme, immer wieder werden Freunde und Bekannte geschnappt und verschwinden in Strafkompanien an der Front, kommen ins berüchtigte El-De-Haus, wo die Gestapo ihr Zuhause hat, oder, wie später auch Gertrud, nach Brauweiler ins Gefängnis. Auch Gertrud muss sich der Folter und den Schlägen der Nazischergen stellen, wird nur durch einen Fehler freigelassen und kann sofort aus Köln fliehen, lebt zwei Jahre bis Kriegsende auf einem Bergbauernhof in Süddeutschland. Doch einmal kehrt sie noch zurück, und ausgerechnet da - nachdem sie schon den Verlust von einer ganzen Reihe von Freunden im Krieg an der Front oder in den harten Bombennächten in Köln zu beklagen hat - wird sie Zeugin, wie in Ehrenfeld sechs Jugendliche der dortigen Gruppe öffentlich aufgehängt werden - Bartholomäus Schink war mit sechzehn Jahren der Jüngste und hatte auch schon für Gertruds Gruppe Schmiere gestanden.

Es gibt einige Bücher zum Thema "Edelweißpiraten", aber dieses ist das erste, das in einem so großen Verlag wie Rowohlt herauskommt. Wenn man die ganze Palette kennt, die rund um die Weiße Rose im Buchhandel zu bekommen ist, wirkt das ungewöhnlich, aber die Jugendlichen aus der Rhein-Ruhr-Region, die gegen Hitler und seine Schergen kämpften, sind über viele Jahre kriminalisiert worden. Kein Wunder, waren doch die Gestapo-Beamten, die im Dritten Reich die Edelweißpiraten folterten, später noch oft in den Verwaltungen und in der Justiz. Erst in den letzten fünfzehn Jahren ist das Verständnis ein anderes geworden. Die Geschichte von Gertrud Koch ist spannend geschrieben, ist sehr berührend, auch wenn sie sich an manche Folter nur sehr allgemein erinnern mag. Kein Wunder, müssen sich doch mehrere Monate mit täglichen Verhören und täglichen Prügeln mehr als zermürbend ausgewirkt haben.

Ein wirklich wichtiges Buch, ein gutes Buch, und ein Buch, das wirklich auch als Schullektüre zu empfehlen wäre. Und ein ausdrückliches Lob an Rowohlt, ein nicht immer unumstrittenes Thema anzugehen.

Holger Hennig



Taschenbuch | Erschienen: 01. Februar 2006 | ISBN: 3499620936 | Preis: 8,90 Euro | 252 Seiten | Sprache: Deutsch

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