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 Tempo!

Berliner Verkehrsgeschichte


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Wenn in jüngster Zeit von der Berliner Verkehrspolitik die Rede ist, dann gibt es wohl ein dominierendes Thema: der neue Pannen-Flughafen in Schönefeld, dessen Eröffnung nach Pleiten und Pannen weiterhin auf sich warten lässt. Doch auch wenn sich Berlin aktuell verkehrspolitisch nicht mit Ruhm bekleckert, kann die Berliner Verkehrsgeschichte sehr wohl als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden.


Wo fuhren die erste elektrische Straßenbahn und der erste Oberleitungsbus der Welt?


Alles begann vor rund 180 Jahren, als die erste Eisenbahn zwischen Berlin und Potsdam verkehrte. Natürlich gab es vorher bereits Droschken und Kähne, doch erst mit der Eisenbahn beschleunigte sich der Verkehrsfluss. Auch wenn parallel dazu Pferdeomnibusse in der preußischen Hauptstadt verkehrten, so war der die rasante Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Schon bald fuhren in Berlin die ersten Straßenbahnen und das Streckennetz wuchs mehr und mehr an, sodass schon bald Pläne für Hoch- und Untergrundbahnen geschmiedet wurden - bei letzteren jedoch mit einer gehörigen Portion Skepsis aufgrund des sumpfigen Untergrunds. Auch wenn der Bus oder gar das Automobil noch bis in die 1920er Jahren ein "Schattendasein" führte, so galten diese zunehmend als modern. Bereits seit 1897 stiegen die ersten Luftschiffe vom Tempelhofer Feld gen Himmel, doch erst in den 1920er Jahren und vor allem Anfang der 1930er Jahre mit der Einweihung des Raketenflugplatzes in Tegel nahm hier die Entwicklung Fahrt auf. Einen tiefen Einschnitt erlebte die Berliner Verkehrsgeschichte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und vor allem mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Am Ende blieb eine völlig zerbombte Infrastruktur zurück. Der Neuaufbau war schließlich geprägt von der deutschen Teilung - mit zum Teil improvisierten Regelungen. Mit der deutschen Wiedervereinigung entwickelte sich das Streckennetz immer mehr zu dem, wie wir es heute kennen, auch wenn die Entwicklungen nach wie vor im Fluss sind.


Wo findet man das älteste und größte Straßenbahnnetz sowie das älteste und größte U-Bahn-Netz Deutschlands?


So sehr die Republik den gegenwärtigen Fehlgriff um den Berliner Großflughafen belächelt, so sehr wird den Leser dieses Buches die Berliner Verkehrsgeschichte beeindrucken. Denn auf gut zweihundert Seiten präsentiert der Journalist Jan Gympel Berlins Entwicklung von der Droschken-Zeit zur Hochgeschwindigkeits-Metropole.

Schon allein aufgrund der geschichtlichen Verwicklungen der Stadt – als Schlagworte reichen allein der Zweite Weltkrieg oder die deutsche Teilung – wurde die Verkehrsgeschichte maßgeblich auch von politischen Ereignissen geprägt, was beispielsweise dazu führte, dass West-Berliner U-Bahnen zwischen Wedding und Kreuzberg unter dem Ost-Berliner Bezirk Mitte hindurchfuhren. Neben den Einflüssen der "großen Geschichte" beschäftigt sich Gympel zwangsläufig mit verkehrspolitischen Entscheidungen, technischen Veränderungen oder dem Ausbau des Streckennetzes. Immer wieder stößt der Leser während der Lektüre auf verblüffende Details wie die Möglichkeit einer kostenfreien Nutzung der Straßenbahn in der Gemeinde Steglitz bis 23 Uhr - quasi als Werbemaßnahme zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zudem erwähnt der Autor an vielen Stellen interessante technische Details, die davon zeugen, wie ausgeklügelt der Personenverkehr selbst in den Anfangsjahren war. So ersetzten zum Beispiel sogenannte "Umsetztüren" die noch nicht vorzufindenden Wendeschleifen, während die heute gängigen Mittelbahnsteige zunächst vor allem der Betriebskostenreduzierung dienten. Denn dadurch konnte ein Zugabfertiger sowie ein Fahrkartenverkäufer beziehungsweise ein Fahrkartenkontrolleur eingespart werden, die anfangs noch auf jedem Bahnsteig vorzufinden waren. Auch wenn ein wenig Ortskenntnis nicht schadet, um die zahlreichen Ortsangaben und Streckenhinweise einzuordnen, ist der Band ebenso für Nicht-Berliner gut lesbar und ein Gewinn. Denn die Verkehrsgeschichte einer flirrenden Metropole wie Berlin strahlt weit über den engen Stadtrand hinaus und ermöglicht tiefe Einblicke in technische Neuerungen und verkehrspolitische Entscheidungen.


Wo befindet sich die älteste Straße Europas, die nur für Kraftfahrzeuge gebaut wurde und bis heute nur von ihnen genutzt werden darf?


Unterstützt wird die Lektüre durch lesefreundlich proportionierte Abschnitte. Hinzu kommen zahlreiche Abbildungen, welche die Entwicklungen anschaulich illustrieren. Zum Teil schmiegen sich diese in einer Art Zeitschriften-Layout in den Text ein. Neben Gemälden finden sich hier insbesondere Fotografien. Unnötigerweise wurden manche dieser Fotografien nachträglich koloriert, was mitunter recht künstlich wirkt. Vereinzelt - und insgesamt zu selten - finden sich auch kontrastierende Aufnahmen, welche die Schauplätze in heutiger Form zeigen.

FAZIT: Eine gut lesbare Verkehrsgeschichte mit vielen interessanten Details und zahlreichen illustrierenden Bildern.

Weitere Informationen sowie ein Blick ins Buch sind auf der Webseite des Verlags vorhanden.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 27. Oktober 2015 | ISBN: 9783944594385 | Preis: 29,95 Euro | 202 Seiten | Sprache: Deutsch

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