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Nachdem im Berliner Regierungsviertel eine männliche Leiche gefunden wird, bei der als Todesursache alles auf Waterboarding hindeutet, machen gleich Spekulationen die Runde, die CIA hätte ihre Finger im Spiel, schließlich stammte der Mann ursprünglich aus dem Fernen Osten. Parallel dazu arbeitet Dr. Fred Abel, stellvertretender Leiter der Abteilung Extremdelikte bei BKA, an einem anderen Fall. Zufällig wird in der Kniekehle eines toten Mannes eine Einstichwunde festgestellt und die auf dem Totenschein ausgestellte Todesursache passt nicht zu den Ergebnissen der Autopsie. Bei Abel werden Erinnerungen an eine andere Leiche wach, zumal er feststellen muss, dass er den Arzt, der den Totenschein ausgestellt hat, aus seiner Studienzeit kennt. Verzögert werden seine Ermittlungen in diesem Fall jedoch durch eine Reise nach Transnistrien, wo der Rechtsmediziner auf Wunsch eines ranghohen Verantwortlichen zwei Leichen obduzieren und wenn möglich identifizieren soll.
Zwar ist "Zersetzt" der zweite Teil der Fred-Abel-Reihe, dennoch spielt er einige Monate vor dem ersten Teil. Zum Verständnis der Handlung ist es somit nicht zwingend notwendig, den vorherigen Thriller zu kennen, die Figuren stellen sich im weiteren Verlauf selbst vor. Fred Abel selbst ist ein richtiger Tausendsassa. Nicht nur, dass er ein exzellenter Rechtsmediziner ist, dank seiner Ausbildung bei der Bundeswehr ist er auch in der Lage, sich durch ein fremdes Land zu schlagen und dabei seinen Verfolgern zu entkommen. Es gibt scheinbar keine Situation, die er nicht meistern kann.
Mit diesem Buch liefern Michael Tsokos und Andreas Gößling den Beweis, dass True Crime eben nicht wirklich besser und spannender als ein rein fiktiver Thriller sein muss. Denn obwohl die Fälle reale Vorlagen haben und die Ermittlungsarbeit - zumindest teilweise - der Realität entsprechen wird, geht dies hier zu Lasten der Spannung, da gleich drei Fälle parallel abgehandelt werden und kein richtiger Schwung in die Handlung kommt. Fast eher nebenbei wird aufgeklärt, was es mit dem Waterboarding-Fall auf sich hat. Während zu Beginn ein großer Teil der Aufmerksamkeit auf den Morden und den möglichen Motiven, inklusive von Verschwörungstheorien liegt, wirkt die Auflösung am Ende so, als wäre dem Autor noch schnell eingefallen, dass hier ein Handlungsstrang abgeschlossen werden muss.
Abels Reise nach Transnistrien, ein nicht offiziell anerkannter Staat an der Grenze zu Moldawien und stark unter russischem Einfluss stehend, findet erst in der zweiten Hälfte des Thrillers statt. Bis dahin wird in den ersten Kapiteln in Rückblicken ausführlich geschildert, wie zwei Brüder gefoltert und schließlich getötet werden. Der Leser ist somit Abel ein Stück voraus und weiß, um wen es sich bei den beiden zu obduzierenden Toten handelt. Erst später klärt sich, wer Interesse an dem Tod der beiden Geschäftsmänner hatte. Interessant sind vor allem die Schilderungen des Lebens in diesem künstlichen Staat, der scheinbar in der Sowjetzeit stehengeblieben ist.
Am spannendsten ist der Fall einer jungen Frau, die entführt und in einem Keller gefangengehalten wird. Die Vergewaltigungs- und Folterszenen sind nichts für schwache Nerven. Bedauerlich ist, dass auch hier ein Teil der Auflösung ganz nebenbei erfolgt, es wird quasi nur erwähnt, dass die Komplizin des Entführers gefasst worden ist und ein Teilgeständnis abgelegt hat. Der Vergewaltiger ist zwar immer noch auf freiem Fuß, die Frau weiterhin in seinen Händen, aber da die Ermittler nichts von ihrem Martyrium ahnen, entsteht der Eindruck, dass die Suche nach dem Täter nicht oberste Priorität hat.
Fazit: "Zersetzt" braucht lange um in Schwung zu kommen. Zu verfahren ist die Handlung, zu viele Fälle, die nicht konsequent verfolgt werden, worunter die Spannung leidet.
Eine Leseprobe ist auf der Verlagsseite zu finden.