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 Die Unterwerfung der Welt

Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Kolonialgeschichte als Teil der "Global History" hat in den vergangenen Jahren in Deutschland einen enormen Aufschwung erlebt. Wolfgang Reinhard hatte schon vor diesem Hype in den 1980er Jahren eine vierbändige Geschichte der europäischen Expansion seit dem 15. Jahrhundert geschrieben. Diese hat er nun überarbeitet und unter dem Titel "Die Unterwerfung der Welt" neu veröffentlicht. Aus den vier Bänden wurde ein über 1600 Seiten starkes Buch mit dem Anspruch eine umfassende Geschichte des europäischen Kolonialismus zu sein.

Wolfgang Reinhards überarbeitete Globalgeschichte der europäischen Expansion von den Anfängen bis in die Gegenwart ist allein von ihrem Umfang her monumental zu nennen. Der Autor hat nicht nur seine dreißig Jahre alten Texte genommen und zu einem Band zusammengefasst. Er hat sich noch einmal intensiv mit dem Thema befasst, neue Forschungsergebnisse eingearbeitet, ganze Kapitel umgeschrieben und ein Kapitel zugefügt, das in die Zukunft weist. So ist dieses Werk keine einfache erweiterte und überarbeitete Neuauflage, sondern in großen Teilen eine neue Studie, die wohl in absehbarer Zeit zu den kolonialhistorischen Standardwerken gehören wird.

In 24 jeweils dreißig bis sechzig Seiten langen Kapiteln schreibt Reinhard die Geschichte der Unterwerfung der Welt durch Europa. Jeder Abschnitt behandelt dabei eine besondere Phase oder Methode dieser Expansion. Die ersten beiden Abschnitte klären die historischen Voraussetzungen des Kolonialismus. Dabei geht es sowohl um Kontakte der Europäer zu anderen Teilen der Welt seit der Antike als auch um technische Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Schifffahrt.

Die folgenden Kapitel stellen in loser chronologischer Reihenfolge sowohl die kolonialen Expansionen der einzelnen europäischen Länder dar als auch ihre angewandten Methoden, die sich im Laufe der Jahrhunderte mehrfach änderten. Hier geht es etwa um Handelsgesellschaften, indirekte oder direkte Herrschaft, Siedlungs- oder Handelskolonien. Auch territoriale Expansion, die nicht in Übersee stattfand, subsumiert Reinhard unter Kolonialismus, wenn sie einherging mit einem Überlegenheitsgefühl durch die ausgreifenden Akteure. So behandelt er zum Beispiel die russische Durchdringung Nordostasiens oder Englands Unterwerfung Irlands. Das ist überzeugend und verstärkt noch die Bedeutung des Kolonialismus als Vor- oder Frühgeschichte der Globalisierung.

Auch behandeln einige Abschnitte Dekolonisationsprozesse, die zu großen Teilen bis heute noch nicht zu ihrem Abschluss gekommen sind. Spannend ist hierbei, dass Reinhard in einem Abschnitt fragt, ob nicht auch manche Phänomene seit der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts kolonialen Charakter haben, zum Beispiel die Konkurrenz um die Kontrolle der Polargebiete oder die Geschichte Israels, die als klassische Geschichte einer Siedlungskolonie geschrieben werden könne. Diese Fragen sind mindestens interessant, wenn nicht sogar mehr als das.

Im letzten Abschnitt versucht sich der Autor an einen Ausblick vor dem Hintergrund seiner These, dass die europäische Expansion nicht abgeschlossen ist. Sie hat nur ihre Form verändert, weg von direkter territorialer Unterwerfung hin zu ökonomischer Dominanz und stetigem Wachstum, das bis heute auf Strukturen basiert, die im Zeitalter des Kolonialismus entstanden sind. Das ist sicher nicht minder interessant und die Darstellung ist überzeugend, aber allgemein stellt sich immer die Frage, ob Historiker so weit in die Gegenwart und sogar in die Zukunft schauen sollten. Das ist nicht ihr Job, kann es auch nicht sein, weil die Quellen, die Historiker normalerweise für ihre Arbeit nutzen, eben noch nicht existieren oder zur Verfügung stehen. Daher ist insbesondere der letzte Abschnitt mit Vorsicht zu lesen.

Sprachlich ist das gesamte Werk durchgehend sehr dicht, aber verständlich geschrieben. Die Kürze der Abschnitte ermöglicht es, das Buch in verdaubaren Häppchen zu konsumieren, auch wenn es dann einen Monat dauert. Langweilig wird es nicht, wenn der Leser an dem Thema interessiert ist. Wie fundiert und umfassend diese Studie ist, lässt sich bereits am Anhang erkennen, der über 300 Seiten stark ist, wovon fast 300 Seiten Quellen- und Literaturhinweise geben. Dieses Buch ist auch ein Lebenswerk!

Insgesamt ist dieses monumentale Werk eine umfassende, fundierte und gut geschriebene Studie, die das Wissen einer 40-jährigen Beschäftigung mit dem europäischen Kolonialismus zusammenfasst. Für jeden Interessierten empfehlenswert!

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 9. März 2016 | ISBN: 978-3406687181 | Preis: 58,00 Euro | 1648 Seiten | Sprache: Deutsch

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