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Hier bewegt sich nichts mehr - verlassen und zerfallen liegen die in diesem Bildband präsentierten einhundert Orte da. Nur noch wenig deutet darauf hin, dass hier einmal geschäftiger Trubel die Regel war. Nichts ist mehr zu sehen von den Menschen, welche die Orte einst mit Leben füllten. Stattdessen Ruhe, Einsamkeit, Verlassenheit.
Der in den ungenutzten Bauten konservierte letzte Zustand, der an die einstige Funktion und an die einst dort tätigen Menschen erinnert, öffnet ein faszinierendes "begehbares Zeitfenster". (Thomas Kemnitz)
Zu finden sind die im Band vorgestellten Gebäude und Relikte mehrheitlich in Deutschland, wobei diese vor allem aus der Zeit entstammen, als Deutschland noch in Ost und West geteilt war. Überhaupt entstammen relativ viele Objekte der Zeit des Kalten Krieges, was zur Folge hat, dass die Fotografen für diesen Band immer wieder in ehemaligen Ostblockstaaten aktiv waren. Aber auch Frankreich, Italien, Belgien sowie vereinzelt Dänemark, Großbritannien oder Spanien waren Orte, welche im Zuge dieses Bildbandes aufgesucht wurden. Thematisch gliedert sicher der Band in die Kategorien "Produzieren", "Leben", "Bilden", "Transportieren" und "Schützen". Allesamt verweisen sie auf die ursprüngliche Funktion des jeweiligen Ortes.
Da ist der Reiz des Unentdeckten, Unerforschten und Unbekannten. Kein Museum, sondern Authentizität, Geschichte zum Anfassen. (Michael Träger)
Mögen sie zukünftig noch weiter verfallen, umfunktioniert oder gar abgerissen werden - mit diesem Band werden die vorgestellten Objekte zumindest fotografisch konserviert und dem Vergessen entrissen. Und das ist auch zwingend notwendig, ist doch das ein oder andere Gebäude wie der Palast der Republik oder das Gummwerk in Schönebeck bereits Geschichte. In der Mehrheit weilen die gezeigten Objekte aber noch unter uns und sind zum Teil auch denkmalgeschützt - wenngleich häufig in einem desolaten Zustand. Denn so wie sie sich in den Fotografien dieses Bandes präsentieren, vegetieren sie dahin und zeugen allenfalls von einer besseren Vergangenheit. Auch wenn die einzelnen Objekte vor allem funktionell geprägt waren, gibt es trotz des offensichtlichen Verfalls dennoch das eine oder andere künstlerische Element, zum Beispiel in Form des expressionistischen Industriebaus (Hutfabrik Friedrich Steinberg, Herrmann & Co, Luckenwalde) oder der Neogotik (Kirche Waldau, Bernburg), zu entdecken. Erstaunlich ist, dass einige Objekte noch gar nicht so alt sind und aus den 1980ern entstammen. Allerdings – und das war dann auch schon ihr "Todesurteil" - sind sie doch noch in Zeiten des Ost-West-Konfliktes entstanden. Dass sie alsbald keine Verwendung mehr haben sollten, ist Teil ihrer kurzlebigen Geschichte.
Meine Aufgabe sehe ich (...) in der möglichst objektiven Bilddokumentation von kultur- und sozialgeschichtlich aussagekräftigen Architekturbeständen, welche sich auch durch Modernisierung und Umbauten verändern werden. (Robert Conrad)
Präsentiert werden die Fotografien auf eine abwechslungsreiche Art und Weise. So nehmen diese mal die ganze Seite ein, ein anderes Mal wiederum nur die halbe Seite, sodass sie dann durch die zentrierte Anordnung vom weißen Hintergrund umgeben sind. Auch finden sich Abbildungen, die über die Seitenmitte hinausreichen oder sogar eine komplette Doppelseite füllen. Am gelungensten ist die Zusammenstellung immer dann, wenn die Gebäude sowohl von außen als auch von innen – wie im Falle einer Weinkellerei im spanischen Felanitx - gezeigt werden. Dies ist jedoch kein durchgängiges Muster, ganz im Gegensatz zu den reduzierten Informationen unterhalb der Fotografien, die den Namen des Objekts, die Funktion, den Standort sowie den Entstehungszeitpunkt der Fotografie dokumentieren. Weitere - wenngleich ebenfalls recht kurz gehaltene - Informationen in Textform finden sich dahingegen erst am Ende der jeweils fünf Abschnitte des Bandes. Dies ist zwar bisweilen recht umständlich, allerdings kann sich der Betrachter dadurch ganz auf die jeweils gezeigten Orte einlassen. Denn die Fotografien strahlen allesamt das aus, was in den kurzen einleitenden Worten als
"Phase des Übergangs zwischen Nutzen und endgültigem Verfalls und Verschwinden" bezeichnet wird. Geradezu mystisch fangen sie bisweilen die Tristheit der Orte ein. Beklemmung stellt sich gerade bei den Bildern ein, in denen die Inneneinrichtung noch in Ansätzen erkennbar ist und auf die ursprüngliche Funktion verweist. Nicht immer muss dieses Gefühl jedoch negativ sein. Denn dass sowjetische Nuklearlager oder das Kernkraftwerk Rheinsberg inzwischen ihre Funktion verloren haben, hat sicherlich auch sein Gutes.
FAZIT: Ein schnörkelloser Bildband, welcher den Fokus ganz auf die Tristheit der fotografierten Objekte legt und diese so als entrückte, vom Zerfall zerfressene Kleinode präsentiert.
Weitere Informationen, Bildbeispiele sowie ein Blick ins Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.