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Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz gehört die Kompetenzorientierung aktuell zu den Leitbegriffen, wenn von der Zukunft der schulischen Bildung gesprochen wird. Gemeint sind damit Fähigkeiten und Fertigkeiten, die im Gegensatz zu "trägem Wissen" vor allem in der Zukunft dazu befähigen, Probleme und Situationen sinnvoll und gegebenenfalls variabel zu lösen. Seinen Ausdruck findet diese Konzeption in dem neuen "Lehrplan 21", der seit 2014 von vielen Schweizer Kantonen eingeführt wurde. Doch auch in Deutschland wird bereits oder zukünftig kompetenzorientiert unterrichtet (werden). Neben positiven Erwartungen ruft die Konzeption immer wieder auch kritische Stimmen auf den Plan, die zeigen, dass die Implementierung eines derartigen Konzepts ein schwieriger Prozess ist. Neben berechtigten Einwänden spielt hier sicherlich auch mangelndes Hintergrundwissen eine Rolle. Denn wer sich einmal näher mit dem Konzept befasst hat, der wird erkennen, dass Kompetenzorientierung nicht heißt, das Rad neu zu erfinden - aktivierende Lernaufgaben, Formen des kooperativen Lernens oder die Handlungsorientierung gehören schon länger zum Repertoire eines guten Unterrichts -, sondern letztlich eine andere Schwerpunktsetzung bedeutet.
Kompetenzen stehen für funktionales Wissen, für Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, um die Welt besser zu verstehen und in ihr handeln zu können.
Mit dem vorliegenden Studienbuch erhalten Lehrende im ersten Teil einen umfassenden Überblick über die erziehungswissenschaftlichen Konzepte, die der aktuellen Kompetenzdebatte zugrunde liegen. Neben einer historischen und soziologischen Einordnung ist dies vor allem die Vorstellung eines modernen Lehr- und Lernverständnisses, welches in Folge der PISA-Studie mehr und mehr als erfolgsversprechender Ansatz gesehen wurde. In einem eigenen Beitrag diskutiert Herbert Luthiger zudem, ob diese Neuausrichtung gar eine "kompetenzorientierte Didaktik" rechtfertigt, bei der "Aufgaben als Brücke zwischen Allgemeiner Didaktik und Kompetenzorientierung" im Mittelpunkt stehen. Nicht zuletzt bedeutet Kompetenzorientierung auch eine Individualisierung des Lernprozesses, sodass der Ansatz auch innerhalb der Sonderpädagogik neue Möglichkeiten offenbart, welche in einem weiteren Beitrag diskutiert werden.
Sinnigerweise wird der Band insbesondere der bereits in der Einleitung betonten Tatsache gerecht, dass es die Kompetenz nicht gibt, sondern dass deren Ausprägungen fachspezifische Unterschiede beinhaltet. So finden sich im zweiten Teil des Bandes Aufsätze zu einzelnen Fachbereichen (Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen, Englisch und Französisch, Natur und Technik, Geschichte, Bildnerisches Gestalten, Textiles Gestalten, Bewegung und Sport), die sowohl den zugrunde gelegten Kompetenzbegriff in seiner fachlichen Ausdifferenzierung erläutern als auch die damit einhergehenden Folgen für den Unterricht. Ergänzt wird dies noch durch zwei Beiträge zur "Medienbildung“ sowie zur "Sexualpädagogik", welche jedoch nur online auf der Verlagsseite verfügbar sind.
Eine Anbindung an einen zu starren Begriff oder ein Modell schien deshalb für das vorliegende Buch nicht zielführend, was zur Folge hat, dass bezüglich der Auslegung des Kompetenzbegriffs Vielfalt statt Einfalt (im Sinne von Homogenität oder Uniformität) herrscht.
Auch wenn gerade die in dem Studienbuch präsentierten fachlichen Konkretisierungen auf den Schweizer "Lehrplan 21" bezogen sind und Begrifflichkeiten ein ums andere Mal nicht denen entsprechen, wie sie in bundesdeutschen Lehrplänen zu finden sind, so lohnt sich dennoch ein Blick über den Tellerrand, insbesondere für diejenigen, welche die Kompetenzorientierung als Chance sehen. Hinzu kommt, dass auch die theoretischen Grundlagen wie zum Beispiel bei der Leseforschung durchaus übereinstimmen. Nicht zuletzt bedeutet "Tellerrand" hier nicht nur eine länderübergreifende, sondern auch eine fächerübergreifende Perspektive, da es auch interessant sein kann, wie andere Fächer mit dem Thema "Kompetenzorientierung" umgehen. Denn allzu oft sind Fachlehrer zu sehr in ihrer fachdidaktischen Rolle gefangen, die den Blick trübt und innovativen Konzepten anderer Fachbereichen entgegensteht.
Trotz einzelner beispielhafter Ausführungen kann der Band jedoch nur als erster Einstieg dienen, der allenfalls ausschnitthaft die grundsätzliche fachdidaktische (Neu-)Ausrichtung erläutert. Hierzu bedienen sich die Autoren in dem äußerst ansprechend gestalteten Lehrbuch zahlreichen grafisch aufbereiteten Modellskizzen Kompetenzrastern oder Aufgabenbeispielen.
FAZIT: Ein lohnender Blick, der als erster Einstieg vielfältige Perspektiven auf die aktuelle Kompetenzdebatte im schulischen Bildungsbereich wirft.
Weitere Informationen sowie ein Blick ins Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.