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Es ist schon toll, einen Vater zu haben, wie Daleys. Er verwöhnt seine Tochter nach Strich und Faden und ist allseits beliebt. Er liebt es, zu scherzen und im Mittelpunkt zu stehen. Daley liebt diese Dinge an ihm, aber sie weiß auch, dass ihr Vater ganz anders sein kann. Dann macht er hämische Witze über die Freunde ihrer Mutter, schmollt oder wird wütend. Und immer versucht Daley, ihm eine Stütze zu sein, eine Komplizin und Freundin. Je älter sie wird, umso deutlicher wird, dass sie dafür immer mehr zurückstecken muss, denn ihr Vater hat das tiefe Bedürfnis im Mittelpunkt zu stehen und ihm ist egal, ob Daley dadurch Freundschaften oder Jobs verlieren wird. Langsam wird es mühsam, einen Vater wie diesen zu haben und das nicht nur für seine Lieblingstochter, sondern für die gesamte Familie Amory, die durch diese Form von Narzismus langsam zerbricht.
Ihre Eltern werden sich trennen, das weiß Daley Amory lange, bevor ihr Dad es merkt. Dabei klingt ihr Familienleben auf den ersten Eindruck, als wäre es fantastisch. In den sechziger Jahren spielt sich das Leben Gardiner Amorys zwischen Bar und Tennisplatz ab, wo er gerne flirtet, seinen Charme spielen lässt und so unglaublich lässig wohlhabend ist, dass er vor Selbstbewusstsein geradezu platzt. Und doch brodelt eine kaum verhüllte Wut in ihm, die er zwar zu verhüllen gelernt hat, die aber von Zeit zu Zeit an die Oberfläche will. Jede Ablehnung empfindet er als persönliche Beleidigung, andere Meinungen kann er nur schwer gelten lassen, besonders wenn sie von Frauen oder Schwarzen kommt; aber auch auf Menschen, die er als nicht ebenbürtig empfindet, sieht er deutlich herab. So kommt es, dass er seiner Tochter einen eigenen Pool bauen lässt, als sie am Pool seines Clubs keine Vorzugsbehandlung bekommt, vordergründig um ihr eine Freude zu machen, eigentlich aber, weil er unter der scheinbaren Demütigung durch den Angestellten leidet.
Daleys Mutter hingegen will sich für die vom Leben Benachteiligten einsetzen und tut dies mit dem guten Willen, aber auch der typischen Haltung, die eine weiße Frau in den Nachkriegsjahren gegenüber den Schwarzen zeigt. Überhaupt ziehen sich Vorurteile und gesellschaftliche Konflikte genauso durch den Roman wie die Probleme, die Daleys Familie mit sich selbst hat. Davon lebt das Buch.
Autorin Lily King hat dieses Buch im Präsens verfasst und das passt großartig zu jedem Zeitpunkt dieser Geschichte, die sich über vierzig Jahre erstreckt. Ob es die aufkeimende Gleichberechtigung der Frauen ist oder die Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen, Daley lebt zu dieser Zeit, wird davon beeinflusst und muss sich doch immer wieder mit ihrem Vater auseinandersetzen, der reaktionär und frauenfeindlich auf seinem alten Weltbild und seinen Ansichten beharrt. Als wäre das nicht genug, wird aus dem ehemals charmanten Mann im Laufe der Zeit immer deutlicher ein alkoholkranker, unausstehlicher Mensch, der seine Tochter manipuliert, bis ihr eigenes Leben kaum noch wiedererkennbar ist. Ihre Wünsche, ihre Freunde, Daley läuft Gefahr, alles zu verlieren, was ihr wichtig ist.
Es sind nicht große Dramen, die "Vater des Regens" Fleisch auf den Knochen verleihen, sondern die kleinen Dinge, die Liebe, die Daley und ihre Geschwister für ihre Eltern empfinden, die Anstrengungen, die sie unternehmen und immer wieder Enttäuschungen, welche die Familie aushalten muss. Dabei sind die Figuren so glaubhaft, dass der Leser sich ihnen nah fühlt und an ihrem Schicksal teilnimmt. Die warmherzig geschriebene Handlung macht es einfach, das Buch zu lesen und mehr erfahren zu wollen. Sie ist ein schönes Beispiel dafür, dass auch vermeintlich kleine Geschichten sich zu lesen lohnen und ans Herz wachsen können. Sprachlich gelungen und gut durchdacht, entfaltet "Vater des Regens" sich im Laufe der Zeit und zeigt seine wahre Größe erst nach und nach, bis der Leser sich gänzlich verzaubern lässt.
Eine Leseprobe ist auf der Verlagsseite zu finden.