Die "Geschichte der Welt" geht in die nächste Runde. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits drei der sechs geplanten Bände der Reihe erschienen sind, geben der Beck Verlag und Harvard Up nun den vierten Teil ihres Gemeinschaftsprojekts heraus. Er beschäftigt sich mit der Zeit zwischen 1750 und 1870 und schließt damit die Lücke, die zwischen den Bänden, welche die Frühe Neuzeit und das 20. Jahrhundert behandeln, entstanden war. Der Untertitel des Bandes ("Wege zur modernen Welt") zeigt, dass die Herausgeber und Autoren diese Phase als Übergangszeit zweier Epochen betrachten und beschreiben.

Wie in allen Bänden dieser Reihe finden sich darin mehrere umfangreiche Texte namhafter Historiker, die sich mit verschiedenen Facetten der Globalgeschichte beschäftigen. Im vorliegenden Band sind das vier Beiträge, welche jeweils knapp 200 Seiten stark sind. Sie behandeln die Themen Regionen und Reiche, Industrialisierung und Welthandel, Kulturgeschichte der Transformation und den Versuch einer sozialen Globalgeschichte. Die letzten 200 Seiten sind einem umfangreichen Anhang mit Anmerkungsapparat, Bibliografie und Register vorbehalten.

Auch dieser Band der "Geschichte der Welt" ist allein vom Umfang her monumental zu nennen, wie schon die drei zuvor erschienenen. Jedes Kapitel für sich ist ein eigenes Buch mit eigener theoretischer Grundlage, eigenen Thesen und Narrativen. Die einende Klammer aller Beiträge ist der Versuch, die historische Entwicklung aus einer globalen Perspektive zu betrachten, also nicht nur jedes Land, jeden Kontinent, jede Kultur oder andere definierte Entität aus sich selbst heraus zu betrachten und zu verstehen. Global History ist der Versuch, die Weltgeschichte als Ganzes zu sehen und nicht nur als Summe der Geschichten ihrer Teile.

Die Perspektive mag in allen Kapiteln damit ähnlich sein, aber methodisch und thematisch unterscheiden sich die Beiträge stark voneinander. So liegt der thematische Fokus von Cemil Aydin auf den Konzepten Reich und Region als strukturierende Elemente der Welt. Sein Text ist eine politikgeschichtliche Analyse. Der Text von Sebastian Konrad dagegen beschäftigt sich mit der auch von den Zeitgenossen als globale Transformation wahrgenommene Veränderung, aber aus kulturgeschichtlicher Perspektive. Wie haben sich die Ordnung der Zeit verändert oder der Bezugsrahmen des Bewusstseins der Menschen verändert - so lauten zum Beispiel Fragen, denen der Autor nachgeht. Jürgen Osterhammel wiederum hat einen sozialgeschichtlichen Fokus und betrachtet die sozialen Wahrnehmungen und Wirkungen der sich globalisierenden Welt im 19. Jahrhundert.

Keiner der Texte und auch der gesamte gut 1000-seitige Band nehmen nicht für sich in Anspruch ein vollständiges Bild einer Epoche zu zeichnen. Vielmehr geht es um das Ergründen neuer Forschungsfragen und neuer Perspektiven. Gleichzeitig vermitteln alle Beiträge aber eine ungeheure Fülle an Fakten und Gedanken, ziehen Vergleiche und stellen Verknüpfungen her, die neu und anregend sind. Wichtig ist dabei, dass alle Beiträge trotz ihrer globalen Perspektive nicht die Eigenarten der einzelnen Reiche, Länder oder Kulturen aus dem Blick verlieren. Der Titel des Bandes "Wege zur Moderne" ist Programm. Es gab viele Wege in die Moderne, sie überlagerten sich und beeinflussten sich gegenseitig, aber sie hatten auch alle ihre eigenständigen und teilweise einzigartigen Aspekte.

Die Texte werden allesamt durch vereinzeltes Bild- und Kartenmaterial im Band ergänzt sowie durch einen umfangreichen Anmerkungsapparat und eine Bibliografie mit vielen Belegen unterfüttert. Außerdem ist das gute Register unerlässlich in einem so umfangreichen Werk. Dadurch wird der Band überhaupt erst für Studierende und Forschende nutzbar.

Auch dieser Band ist großartig geworden, wie schon die vorhergehenden. Es bleibt zu hoffen, dass auch die letzten beiden Bände, dieses hohe und anregende Niveau halten werden.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebseite.