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Bisher gab es aus der Reihe "Beck Wissen" zwar Bände, welche sich mit einzelnen Teilaspekten des Nationalsozialismus beschäftigten, zum Beispiel "Die SS", "Der Holocaust" oder auch "Der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus". Fehlend war bis dato allerdings ein Band, welcher das "Dritte Reich" in seiner Gesamtheit behandelt. Diese Lücke schließt nun der vorliegende Band des bekannten deutschen Zeithistorikers Herbert Ulrich.
Gegliedert ist der Band in drei Abschnitte. Während im ersten Teil die Vorgeschichte beschrieben und analysiert wird, beschäftigt sich der zweite Teil mit der Entwicklung von der "Machtergreifung" 1933 bis zum Hitler-Stalin Pakt 1939, also bis unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg. Letztgenanntem ist der dritte Teil überlassen, welcher ungefähr die Hälfte des Buches umfasst. Abgerundet wird dies alles durch Zitatnachweise, Literaturhinweise sowie ein knappes einseitiges Personenregister.
Im Widerspruch zu der (...) Überzeugung, das Dritte Reich sei nun erforscht oder gar "aufgearbeitet", stehen wir in vielen Dingen doch erst am Anfang. So ist auch dieses Buch wie alle anderen nur als ein Zwischenergebnis zu verstehen.
Es ist schon erstaunlich, wie es Herbert Ullrich gelingt, auf einem so begrenzten Raum - der Band beschränkt sich wie bei der Reihe üblich auf nur rund 120 reine Textseiten - eine derart umfassende Darstellung vorzulegen. Sicherlich muss Ulrich, was das Faktengerüst anbelangt, zwangsläufig Abstriche machen. Doch er schafft es stattdessen, zentrale Zusammenhänge präzise auf den Punkt zu bringen. So erfährt der Leser zum Beispiel, dass die völkische Idee als eine Gegenreaktion auf die Industrialisierung gelesen werden kann, welche sich im weiteren Verlauf gar zu einem inneren Widerspruch in der nationalsozialistischen Vorgehensweise wandelt, da die Kriegswirtschaft ohne Forcierung der industriellen Mechanismen nicht überlebensfähig gewesen wäre.
Selbst Leser, die bisher dachten, die Geschichte des Dritten Reiches durchschaut zu haben, werden bei der Lektüre auf den ein oder anderen weniger präsenten Aspekt stoßen, so der bisweilen vernachlässigte Balkanfeldzug, der immerhin dafür verantwortlich war, weshalb die "Operation Barbarossa" gegen die Sowjetunion erst mit deutlicher Verspätung gestartet werden konnte. Durchgehend legt Ulrich seine Erkenntnisse sehr präzise, bisweilen gar pointiert dar, wenn er beispielsweise die Finanzierung des Zweiten Weltkrieges als „größte Enteignungsaktion der Geschichte“ bezeichnet.
Die Konzeption des Bandes macht es in jedem Fall notwendig, dass sich der an der Universität Freiburg lehrende Zeithistoriker - trotz der chronologischen Anordnung der drei Teile des Bandes - von der Ereignisgeschichte löst und stattdessen strukturelle Entwicklungen sowie die ideologischen Hintergründe in den Blick nimmt. Im Bewusstsein, dass der Nationalsozialismus ein Kind seiner Zeit ist, dessen Ursprünge im Kaiserreicht sowie im verlorenen Ersten Weltkrieg zu finden sind, beginnt Ulrich seine Geschichte des Dritten Reiches daher sinnigerweise nicht erst mit dem Aufstieg der NSDAP oder gar mit der "Machtergreifung" 1933. Auch wenn der Platz knapp ist, versteht es Ulrich im weiteren Verlauf die richtigen Wegmarken zu setzen, um ein tieferes Verständnis beim Leser zu erwirken. Überhaupt arbeitet Ulrich - zum Beispiel wenn er die Rolle der Frau im Dritten Reich beschreibt - weitaus vielschichtiger als dies bei einem derart kurzen Format zu erwarten wäre. Sogar persönlichen zeitgenössischen Stellungnahmen räumt er an ausgewählten Stellen Platz ein.
FAZIT: Eine hervorragende Einführung zum Thema, die das große Ganze im Blick behält und so zahlreiche zentrale Zusammenhänge präzise und pointiert auf den Punkt bringt.
Weitere Informationen zum Buch, ein Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.
Ich hätte nicht gedacht, dass ein derart umfassendes Thema in so ein kleines Büchlein passt und dieses dabei sogar noch Platz für die Vorgeschichte findet. Von meiner Seite daher beide Daumen nach oben!