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 Pantheon

Geschichte der antiken Religionen

Autoren: Jörg Rüpke
Verlag: C. H. Beck

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Für viele Leser dürfte der Titel des neuen Bandes der Historischen Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung andere Erwartungen wecken als im Inhalt erfüllt werden. "Pantheon - Geschichte der Antiken Religionen" von Jörg Rüpke ist keine weitere Geschichte römischer und griechischer Götter und Mythen von Homer bis Jupiter, sondern vielmehr der Versuch religiöse Praktiken und deren gesellschaftlichen Sinn im historischen Wandel zu begreifen.

Dazu analysiert der Autor in 13 Kapiteln die religiösen Praktiken vom 9. vorchristlichen Jahrhundert bis zum 4. Jahrhundert nach Christi und geht dabei der Frage nach, wie sich das Verhältnis der Menschen zu Göttern und Verstorbenen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene gewandelt hat. Räumlich konzentriert sich Jörg Rüpke vor allem auf den etruskisch-römischen Raum. Im über 140-seitigen Anhang wird der bebilderte Text durch einen Anmerkungsapparat, eine Bibliografie und ein Register ergänzt.

Jörg Rüpkes "Pantheon - Geschichte der antiken Religionen" ist das Ergebnis intensiver Forschungen und eine dicht geschriebene Studie, die nicht immer leicht zu lesen ist. Sie bietet aber einige spannende Einblicke in die Entwicklung der Religionen in der Antike, weil sie sich weniger um die Mythen und Göttervorstellungen kümmert, sondern die praktische Seite, also die Ausübung von Religion und ihre Sinnhaftigkeit für die Lebenden, in den Fokus nimmt.

Für seine Zwecke definiert der Autor Religion als Kommunikation mit dem Unsichtbaren - das können Götter, Halbgötter, Vorfahren oder gerade Verstorbene sein. Diese weite Definition führt dazu, dass er eine hohe Bandbreite an Praktiken betrachten und analysieren kann, vor allem aber Bestattungsriten und Kulte um Götter oder Vorfahren. Das Interessante ist dabei, dass er herausarbeitet, wie sich diese Praktiken verändert haben und welche Bedeutung sie hatten, wenn es etwa um die Herausbildung gesellschaftlicher Distinktion geht, also der Herausbildung von Standesunterschieden.

So ist ein roter Faden des Buches, wie sich die frühetruskische individuelle Praxis der Kommunikation mit den Göttern, etwa durch Hinterlegen von Gegenständen an heiligen Orten in der freien Natur, zu mehr und mehr gesellschaftlich normierten Praktiken, zum Beispiel in öffentlichen Tempelbauten, entwickelte. Ein anderer roter Faden geht der Frage nach, wie mit zunehmender gesellschaftlicher Bedeutung religiöser Praktiken auch deren Bedeutung für die Standesunterschiede zunahm. So konnten die Eliten durch besonders aufwändige Riten, Kunst- oder Bauwerke zeigen, dass ihnen eine besondere Kommunikation mit dem Unsichtbaren gelingt. Sie konnten sich auf diese Weise als Experten in religiösen Fragen darstellen und zugleich mit spektakulären Werken und Ritualen die Mitmenschen beeindrucken. Solche beeindruckenden Praktiken waren etwa aufwändige Bestattungsfeiern mit speziellen Speisen oder Spielen, in Stein gemeißelte Erzählungen von Toten oder Göttern, aufwändige Grabanlagen oder später in der römischen Republik die Stiftung von Tempeln oder anderer religiöser Gebäude.

In der Übergangsphase von der Römischen Republik zur Kaiserzeit hatte der Aufwand für die religiöse Kommunikation seitens der Eliten und deren gesellschaftliche Bedeutung einen Level in Rom erreicht, dass unter Augustus etwa das Stiften von Tempelanlagen nur noch dem Kaiser gewährt wurde. So mussten die Eliten, wenn sie auf diese Weise ihren gesellschaftlichen Status erhöhen wollten, auf Provinzstädte ausweichen. Dadurch konnte dem Überbietungswettbewerb auf religiösem Gebiet in Rom Einhalt geboten werden.

Das sind nur einige Beispiele dafür, wie Jörg Rüpke durch seine Fokussierung auf religiöse Praktiken und deren Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung eine spannende Religionsgeschichte geschrieben hat, die nicht nur Religionswissenschaftler interessieren dürfte, sondern auch für sozialgeschichtlich interessierte Leser einiges bietet. Allerdings muss der Leser auch vorgewarnt werden. Der Text ist dicht geschrieben, archäologische oder religionswissenschaftliche Begriffe werden vorausgesetzt, genauso lateinische oder altgriechische Zitate oft nicht übersetzt. Das macht diesen an manchen Stellen zu einem Buch für Experten. Außerdem verwirrt der Untertitel etwas. Der geographische Schwerpunkt der Studie liegt im italischen Raum. Griechenland oder andere antike Mittelmeerräume werden allenfalls als Vergleich herangezogen. Dadurch ist das Buch nicht weniger lesenswert, aber ein Leser, der einen breiteren Betrachtungsraum erwartet, könnte vielleicht enttäuscht werden.

Der Anhang des Buches erfüllt hingegen alle wissenschaftlichen Kriterien. Es wird gut und viel mit Endnoten belegt. Auch ist die Bebilderung sinnvoll, denn die meisten Abbildungen haben einen klaren Textbezug. Schön wäre nur gewesen, im Text durchgehend an den passenden Stellen auf die Bilder zu verweisen. Das geschieht leider nur an manchen Textstellen.

Unterm Strich ist diese Studie allen Interessierten über die Religionswissenschaften hinaus sehr zu empfehlen. Eine spannende Forschungsfrage hat zu spannenden Erkenntnissen geführt!

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 19. September 2016 | ISBN: 978-3406696411 | Preis: 34,00 Euro | 559 Seiten | Sprache: Deutsch

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