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 Die Stunde der Frauen

Zwischen Monarchie, Weltkrieg und Wahlrecht 1913-1919

Autoren: Antonia Meiners
Verlag: Insel

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Gehören die Frauen in Deutschland und Österreich zu den Gewinnerinnen des Ersten Weltkrieges? Das ist die Leitfrage des 140-seitigen mit vielen Fotos und Zitaten gespickten Sachbuches von Antonia Meiners.

Die Autorin führt in kurzen Texten und Biografien durch die Geschichte des Ersten Weltkrieges und die damit zusammenhängende Änderung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft des damaligen Kaiserreiches. Durch den Ausbruch des Krieges und die Abwesenheit der Männer müssen die Frauen neue Aufgaben übernehmen. Die meisten davon waren ihnen bisher verschlossen. Dazu gehören Tätigkeiten in der (Kriegs-) Produktion, der Verwaltung oder in den zahlreichen Lazaretten, die sich immer stärker mit Verwundeten füllen. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Frauen der unterschiedlichen Schichten. Während die Frauen der Arbeiterklasse extrem unter Druck geraten, Geld verdienen zu müssen, betätigen sich die Frauen der bürgerlichen Schicht oder des Adels vor allem aus Gründen "des nationalen Pflichtgefühls" in den Lazaretten. Aufgrund der großen sozialen Not gewinnen zugleich Frauenvereine mehr und mehr an Bedeutung, die sich während des Krieges vor allem karitativen Aufgaben widmen. Nach den politischen Umwälzungen am Ende des Krieges werden die Frauen aus der beruflichen Sphäre zwar fast wieder vollständig zurückgedrängt, die Durchsetzung des Wahlrechts der Frauen lässt sich in der jungen Republik jedoch nicht mehr verhindern. Und einige Frauen ziehen sogar in das neue Parlament der Weimarer Republik ein ...

Antonia Meiners bietet ihrer Leserschaft einen informativen Einstieg in die Geschichte der Frauenbewegung während des Ersten Weltkrieges, der reichhaltig belegt wird mit Bildern, Originalzitaten und vor allem den Kurzbiografien wichtiger und spannender Frauenfiguren der Zeit. Die Klammer aller Texte ist die Entwicklung hin zum Frauenwahlrecht und die Frage, ob die Frauen als Gewinnerinnen des Krieges anzusehen sind. Insbesondere die Auswahl der Frauen ist es, die das Buch lesenswert macht. Auf lebendige und eindrucksvolle Weise wird vermittelt, wie sehr Frauen damals kämpfen mussten, um etwas zu erreichen. Die Texte sind kurzweilig geschrieben und wegen ihrer Länge auch gut in kleineren "Lesesessions" konsumierbar. Der Spaß bei der Lektüre wird noch durch die sehr schöne Aufmachung und die reiche Bebilderung gesteigert. Aus diesen Gründen ist dieses Buch grundsätzlich allen Interessierten zu empfehlen.

Dennoch gibt es auch drei kritische Anmerkungen. So beginnt die Autorin ihre historische Darstellung mit dem Kriegsausbruch und beleuchtet kaum die Zeit davor. Damit wird darauf verzichtet, zu zeigen, dass es bereits vor dem Weltkrieg starke Frauen gab, die für das Wahlrecht und andere Frauenrechte kämpften. In vielen Parteiprogrammen der liberalen und sozialdemokratischen Parteien wurden diese schon lang vor 1914 gefordert. Diese wichtige Tatsache findet in dem Buch kaum Berücksichtigung.

Außerdem wirken die in dem Buch vorgestellten Biografien etwas zusammenhanglos. Der Leser bekommt zwar einen lebendigen Einblick in das Leben der einzelnen zum Teil sehr unterschiedlichen Frauen. Die gesellschaftlichen Gesamtzusammenhänge, die etwa zum Wahlrecht führten, bleiben dadurch aber letztlich im Unklaren. Wer genau hat eigentlich wann und wo das Wahlrecht gefordert, wer war dagegen und wieso haben sich Erstere durchgesetzt?

Und schließlich fehlt eine Differenzierung innerhalb der Frauen. Sie werden als eine große Gruppe behandelt. Die Frage, ob eigentlich alle Frauen von den Entwicklungen gleichermaßen profitiert haben, bleibt unangesprochen, wäre aber interessant. Welche Frauengruppe hat eigentlich durch die neuen Rechte am meisten gewonnen? Es ist auch kaum vorstellbar, dass die Frauen des Adels von den gesellschaftlichen Umwälzungen sehr begeistert gewesen sein dürften, da sie ihre jahrhundertelange Vormachtstellung beendete.

Die Leitfrage, ob die Frauen in Gänze zu den Gewinnerinnen des Weltkrieges gehören, würde die Autorin wahrscheinlich mit "ja" beantworten, auch wenn Sie zugibt, dass Frauen nach 1919 wieder in die häusliche Sphäre zurückgedrängt wurden. Sie konstatiert allerdings ein gestiegenes Selbstbewusstsein der Frauen durch die Ereignisse des Krieges: Eine These, die historisch nichts Neues ist. Dennoch ist die Lektüre - entweder aus allgemeinem Interesse oder als Einstieg ins Thema - empfehlenswert. Der Band ist sprachlich und optisch einfach schön aufbereitet, sodass das Lesen Spaß macht und der Leser einen spannenden Einblick in das Leben vieler spannender Frauenfiguren erhält. Wer allerdings tiefer und vor allem systematischer in das Thema einsteigen möchte, sollte zu anderen Büchern greifen.

Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags .

Andreas Schmidt



Taschenbuch | Erschienen: 12. Dezember 2016 | ISBN: 978-3458361855 | Preis: 12,95 Euro | 143 Seiten | Sprache: Deutsch

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