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Es ist ein langer Weg vom Hexenviertel in Antwerpen zu der prächtigen Villa der van Leuwens und Annik, die junge Hexe, kann nur hoffen, dass sie ihn nicht umsonst auf sich genommen hat. Schließlich will sie sich um eine Anstellung als Kindermädchen bewerben, denn ganz offensichtlich gibt es in der Villa etwas für sie zu tun. Um den fünfjährigen Elias soll sie sich kümmern, der sich in einem alten Koffer versteckt und nicht hinauswagt. Für Annik zählt jedoch auch noch etwas anderes, denn um zur Universität zugelassen zu werden, muss sie eine Aufgabe erfüllen, die der Weiße Rat ihr gestellt hat. Diese zu lösen, wird schwer für sie, da der Hausherr Gabriel van Leuwen nicht von ihr überzeugt ist. Dennoch schafft es Annik das Vertrauen der Villenbewohner zu gewinnen und die van Leuwens benötigen ihre Hilfe dringend.
Einen Hang zur Dramatik hat die Autorin Susanne Gerdom ja, gibt es nicht nur einen Tortured Hero in ihrer Geschichte, sondern gleich vier van Leuwens, die der Rettung dringend bedürfen. Doch Annik wird nicht schlau aus Elias, dem kleinen Jungen, der sich so vor der Welt fürchtet, dass er ihr nicht mehr gegenübertreten will. Und noch weniger versteht sie Daniel, der sie beobachtet und dessen Gesicht entstellt ist. Auch warum niemand sich um Rafael kümmert, der fast schon erwachsen ist, will ihr nicht einleuchten. Wie es scheint, steckt aber der Hausherr Gabriel dahinter, der viel zu jung scheint, um ein solches Haus zu führen. Wer von ihnen soll denn nun ihre Aufgabe sein, die sie lösen muss, um endlich Hexerei studieren zu können?
Mehr als zwei Worte umfasst der Hinweis nicht, den sie vom Weißen Rat bekommen hat. Na, danke. Dabei wäre die ein oder andere Warnung angebracht, wie schon früh in der Geschichte klar wird. Auf der Villa der van Leuwens scheint ein Fluch zu liegen und Annik mag eine Hexe sein, doch sie scheint nicht stark genug, ihn zu brechen. Vielleicht kommt es darauf aber gar nicht an; möglicherweise braucht es ganz andere Stärken, um das Rätsel der Villa zu lösen.
Susanne Gerdoms Buch kann mit wirklich interessanten Ideen aufwarten. Hexen leben hier ganz offen unter den Menschen ohne Magie, doch sie sind nicht etwa geachtete oder mächtige Mitglieder der Gesellschaft, im Gegenteil. Nur mit einem Passierschein kann sich eine Hexe aus ihrem Viertel entfernen und wird sie auf der falschen Straße angetroffen, kann es ihr passieren, dass sie eingesperrt wird. Die Machtverhältnisse zwischen Annik und ihrem Arbeitgeber sind also von Anfang an klar. Große Widerworte kann sie sich nicht erlauben, was ihr nicht leicht fällt, bei all den Dingen, die im Haus schieflaufen. Bei der weiblichen Hauptfigur hat die Autorin alles richtig gemacht. Annik ist jung, entschlossen aber unerfahren und kann nicht alles, was ihr passiert, richtig einordnen. Noch dazu ist das Haus gruselig, mit unbewohnten Flügeln und Dienstboten, die ihre ehemaligen Kollegen offenbar schnell aus ihrem Gedächtnis streichen können. All dies bietet eine fantastische Kulisse für eine unheimliche Handlung - Chapeau!
Auch die Idee, Hexen mit Vertrauten auszustatten, magischen Wesen in Tiergestalt, verfügt über einigen Charme und ist in der Geschichte oft hilfreich. Was aber die männlichen Gegenparts der Heldin betrifft, hat Frau Gerdom recht dick aufgetragen. Es reicht nicht, wenn Gabriel sich echt nicht leiden kann, es muss Abscheu sein, verzweifelte Verachtung des eigenen Schicksals. Daniel hingegen ist so missgestaltet, dass Frauen bei seinem Anblick das Bewusstsein verlieren, wie mehrfach erwähnt wird. Etwas weniger Dramatik wäre immer noch ausreichend gewesen und der Leser verspürt hin und wieder den Drang, ob der Theatralik die Augen zu verdrehen. Es sei der Autorin jedoch zugestanden, dass es gerade dieser Hang zur Dramatik ist, der das Finale so ungemein kraftvoll und fesselnd gestaltet. Ganz konsequent bleibt die Autorin hier allerdings nicht und bedient sich des einen oder anderen Twists, um die Handlung unvorhersehbar zu gestalten. Nötig ist das nicht und verwässert etwas den sehr guten Eindruck, den das Buch hinterlässt.
Davon sollte sich aber niemand abschrecken lassen, denn die Geschichte ist gut erzählt und sprüht vor Ideen. Der insgesamt düstere Grundton passt hervorragend zur Handlung und lässt vor den Augen des Lesers eine Welt entstehen, die neugierig macht und in der sich der Leser bei allen Gefahren gerne aufhält. "Das Haus der tausend Spiegel" ist gelungene All-Age Fantasy, die gelesen werden sollte, weil sie unterhält und im Gedächtnis bleibt.
Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.