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Was heißt Österreich und was ist seine Geschichte? Diese Frage ist vielleicht für kein anderes europäisches Land so schwer zu beantworten. In seiner über tausendjährigen Geschichte hat der Begriff Österreich eine Vielzahl an Bedeutungen gehabt - und nicht wenige davon galten oft zeitgleich. Ob das Kernland, das den heutigen Staat ausmacht, die Europa lange Zeit dominierende Habsburg-Monarchie oder die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn vor dem Ersten Weltkrieg, die vielen Bedeutungsebenen erschweren eine Geschichte Österreichs schon im konzeptionellen Ansatz.
Der in der zweiten Auflage erschienene Sammelband "Geschichte Österreichs" versucht dieser Herausforderung auf gut 650 Seiten Herr zu werden. Fünf Autoren stellen in zehn Kapiteln chronologisch die Geschichte des zentraleuropäischen Landes dar. Die Darstellung beginnt mit der antiken und frühmittelalterlichen Vorgeschichte des nordalpinen Raumes und reicht bis in die Gegenwart. Dabei haben die einzelnen Autoren jeweils die Abschnitte übernommen, für die sie selbst Experten sind. Jedem Unterkapitel ist eine kurze Zeittafel vorangestellt. Im Anhang finden sich ein Personenregister und eine Bibliografie. Vereinzelt beinhaltet der Band auch Karten.
Der von Thomas Winkelbauer herausgegebene Band "Geschichte Österreichs" will vor allem eine ausführliche einführende Darstellung für Studierende und Leser ohne Vorwissen sein. Auf die geschichtswissenschaftlichen Probleme des Begriffs Österreich wird daher vor allem in der Einleitung eingegangen, weniger in den darstellenden Abschnitten. Herausgeber und Autoren haben sich - wie schon andere jüngere Einführungen zum Thema - dafür entschieden, Österreichs Entwicklung als eine multiperspektivischen Raumgeschichte aufzufassen. Das heißt, jeder Ebene ihre eigene Bedeutung zu belassen, ohne dabei eine dominant werden zu lassen. So ist Österreich zum Beispiel über Jahrhunderte sowohl ein Gebiet, das in etwa dem heutigen Staat entspricht, als auch die weit über dieses Gebiet ausgreifende Habsburg-Monarchie, welche in der Vergangenheit eine bedeutende Großmacht Europas war. Die Kunst der Autoren besteht also darin, diese Ebenen sauber zu trennen und deren Geschichte darzustellen, dabei aber natürlich auch deren gegenseitige Beeinflussung und die Spannungsverhältnisse zu berücksichtigen. Wer die 600 Textseiten liest, bekommt schnell ein Gespür dafür, wie einzigartig und spannend die Geschichte Österreichs innerhalb Europas ist.
Der Band ist so aufgebaut, dass der Leser ihn entweder wie eine Monografie von Anfang bis zum Ende durchlesen kann, um einen Gesamtüberblick zu gewinnen. Er kann sich aber genauso gut nur einzelne Abschnitte heraussuchen, die ihn interessieren. Denn jedes Kapitel ist wie ein eigenständiger langer Aufsatz geschrieben. Alle Autoren bemühen sich um Verständlichkeit und einen guten Lesefluss. Die Texte sind allesamt weitgehend ohne Vorkenntnisse lesbar, allenfalls die ersten Abschnitte, die sich mit der mittelalterlichen Zeit beschäftigen, bedürfen vielleicht hin und wieder eines Blicks ins Wörterbuch, wenn der Leser kein Mediävist ist.
Schön wären allerdings noch etwas mehr Karten gewesen. Der Band enthält zwar welche, die durchaus auch sehr nützlich sind. Ein paar weitere würden jedoch dem Leser an einigen Stellen bei der geografischen Einordnung weiterhelfen. In vielen Unterkapiteln finden sich nämlich diverse Orts- und Regionsnamen, die nicht jeder sofort präzise verorten kann, ohne einen Atlas neben sich zu haben. Ansonsten sind die Texte aber auch für den Laien verständlich und spannend geschrieben. Sie sind nicht zu dicht, sondern flüssig konzipiert und laden dazu ein, sich weiter mit dem Thema Österreich zu befassen. Für Studierende und Forschende dürfte es jedoch enttäuschend sein, dass Fußnoten und Anmerkungen komplett fehlen, obwohl es sich doch um eine wissenschaftliche Einführung handelt. Daher ist das Buch wirklich nur als erste Heranführung an das Thema geeignet. Eine wissenschaftliche Auswertung ist nur schwer möglich ohne Belege.
Fazit: Thomas Winklebauers Sammelband "Geschichte Österreich" ist eine weitgehend verständlich und ausführliche Einführung ins Thema, die für interessierte Laien oder als Einstieg ins Thema auch für Studierende gut geeignet ist.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebseite.