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"Das antike Rom ist wichtig" - So beginnt die an der Cambridge University lehrende Mary Beard die hier vorliegende "tausendjährige Geschichte Roms" und macht sogleich mit entsprechenden Beispielen deutlich, dass die Geschichte des Römischen Reiches bis heute in unsere Gegenwart hineinwirkt. Vielleicht wäre die Welt eine andere, hätte es das Römische Reich nicht gegeben. Zumindest hätte die Geschichte Europas einen anderen Verlauf genommen.
Die alten Römer zu ignorieren hieße, die Augen nicht nur vor der fernen Vergangenheit zu verschließen, denn unsere Weltsicht und unser Selbstverständnis sind bis heute wesentlich von Rom mitgeprägt [...]
An den Beginn ihrer Darstellung stellt Mary Beard jedoch nicht etwa die sagenhafte Gründungsgeschichte des antiken Roms, sondern die Auseinandersetzung zwischen Cicero und Catilina, welche die Eckpunkte des politischen Lebens dieses Staates erzählerisch auf den Punkt bringt: 63 vor Christus stehen sich die beiden nach einer Verschwörung Catilinas im Senat, dem Machtzentrum des Staates gegenüber, woraufhin Catilina Rom verließ. Es folgen - wie so oft - kriegerische Auseinandersetzungen, aus denen Cicero als Sieger hervorgeht. Bald fällt dieser jedoch beim Volk, der zweiten wichtigen politischen Säule des Römischen Reiches, in Ungnade und wird verbannt. Doch Rom wäre nicht Rom, wenn auch dies bald Makulatur wäre: Cicero kehrt zurück, seine Anhänger jubeln und doch kann dieser seinen früheren Status nicht mehr erreichen.
Ausgehend von dieser Einführung blickt Mary Beard an die mythischen Anfänge zurück, spürt den römischen Königen nach und führt ihre Leser über die Ständekämpfe an das Römische Weltreich heran, welches im Inneren keine Ruhe fand, sodass kein Geringerer als Julius Caesar den Weg zur Kaiserherrschaft des Augustus mit tief greifenden Umwälzungen ebnete. Was dann folgt, ist ebenso typisch wie bezeichnend für die unruhige Geschichte des antiken Roms: In kurzer Zeit standen dem Staat vierzehn Kaiser vor, deren Politik genauso schwankend war wie die wechselvolle Geschichte des Römischen Reiches. Auch wenn der dessen Untergang noch einige Zeit dauern sollte, so verweilt Beard hier weitgehend und beschreibt im Anschluss daran ausführlich das Leben im römischen Kernland sowie in den römischen Provinzen und führt die Leser so an den Epilog ihrer Geschichte des "ersten römischen Jahrtausends".
Die Geschichte Roms ist eine Herausforderung, da es nicht nur eine einzige Erzählung gibt, besonders nicht, nachdem die römische Welt sich weit über Italien hinaus ausgedehnt hatte.
Was Mary Beard hier vorlegt, ist keine weitere ereignisgeschichtlich geprägte Aneinanderreihung uns bekannter Fakten zur römischen Geschichte. Nein, ihr geht es darum, die Zusammenhänge, die großen Linien, aber auch die sich im Laufe der Zeit vollziehenden Veränderungen aufzuzeigen. So erzählt sie nicht einfach das nach, was uns antike Geschichtsschreiber oder auch die Protagonisten selbst hinterlassen haben, sondern blickt hinter die Kulissen, sucht nach Erklärungen und präzisiert gängiges Wissen und räumt mit so mancher Halbwahrheit auf. So hinterfragt Beard beispielsweise die Umsetzbarkeit einer komplexen Kriegstaktik angesichts eingeschränkter Kommunikationsmittel genauso wie das weithin gängige Klischee des "alten Römers", der sich fremden Kulturen verweigert. Ein Gesicht erhalten diese sachlich anmutenden Erwägungen, indem Beard die zentralen Aspekte und Konfliktpunkte immer wieder an einzelnen Personen exemplarisch veranschaulicht, wodurch sich ihre Darstellung trotz der sachlich erklärenden Herangehensweise sehr lebendig zeigt.
Beards Stärke liegt vor allem darin, dass sie genau weiß, wo es sich zu verweilen lohnt und wo dagegen ein kursorischer Überblick angebracht ist. So erläutert sie auf der einen Seite zentrale Schriftstücke wie die Zwölftafelgesetze oder Augustus' "res gestae" ausführlich, während anderes, so zum Beispiel die Punischen Kriege, nicht wie ansonsten üblich en détail beschrieben, sondern in den Gesamtkontext - im vorliegenden Fall der römischen Expansion - eingeordnet wird. Keineswegs verschweigt Beard zudem die Unwägbarkeiten der Überlieferung und weist den Leser korrekterweise an vielen Stellen auf Rätselhaftes oder ungelöste Puzzlestücke hin, ohne dass dieser dadurch das Gefühl hat, hier eine "unfertige" Geschichte vorgesetzt zu bekommen. Zu interessant ist das, was Beard ihren Lesern unterbreitet. Nicht selten stellt sie dabei auch sinnige Bezüge zur jüngeren Geschichte her - beispielsweise indem sie die Ständekämpfe zwischen Patriziern und Plebejern mit der Arbeiterbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts in Verbindung bringt.
Ganz unerwartet und keineswegs von einem Buch im herkömmlichen 15-zu-22-Format zu erwarten, überzeugt der Band weiterhin mit seinen äußerst gewinnbringenden Abbildungen. Auch wenn lediglich die Bildtafeln in der Buchmitte farbig sind, so tragen auch die unzähligen Schwarz-Weiß-Bilder aufgrund der sehr präzisen Erläuterungen zu einem tieferen Verständnis der römischen Geschichte bei. So entsteht nicht nur auf der Textebene ein ungemein vielschichtiges Bild.
FAZIT: So stellen sich Sachbuchleser wohl ein Buch über die römische Geschichte vor - fachlich versiert, vielschichtig, dennoch stets mit dem Blick für das Ganze, mit zahlreichen lehrreichen und überraschenden Erkenntnissen und Zusammenhängen, aufgezeigt an exemplarischen Momenten und Personen. Spannender kann Geschichte kaum vermittelt werden. Großartig!
Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags .
Erstaunlich, wie viele hervorragende Sachbücher auf dem Markt zu finden sind. Mary Beards "tausendjährige Geschichte Roms" gehört zweifelsohne dazu und sollte unbedingt aus der Masse herausgehoben werden. Ein echter Sachbuchknaller, der neue Maßstäbe setzt und für mich zum Besten gehört, was in den letzten Jahren zur römischen Geschichte erschienen ist.