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Ganz sicher muss Taras Familie vorsichtig sein, davon ist das Mädchen überzeugt. Weil in der Schule die Lehre Satans gelehrt wird, unterrichten die Eltern der Familie Westover ihre Kinder lieber selbst. Selbst in ihrer Gemeinde fundamentalistischer Mormonen ist so eine Einstellung ungewöhnlich und Taras Eltern gehen noch weiter. Krankenhöuser sind des Teufels Werk, nicht einmal eine Geburtsurkung gibt es für die jüngeren Kinder. Selbst als sie einen schweren Autounfall erleben oder als einer der Brüder Taras sich schwere Verbrennungen zuzieht, vertrauen die Westovers auf Gott und das Kräuterwissen der Mutter.
Tara ahnt, dass mit ihrer Familie etwas nicht stimmt. Zu oft stimmen die Erklärungen ihrer Eltern nicht mit ihren Erinnerungen überein. Doch das Mädchen kennt keine Wahrheit außer der ihres Vaters, der zusätzlich die Position des Predigers der Gemeinde ausübt. Seine Visionen, seine Gespräche mit Gott werden immer extremer und seine Ablehnung der staatlichen Ordnung immer stärker. Für ein normales Leben ist da kein Platz.
Für den Leser ist es kaum zu glauben, was sich tatsächlich in Taras Leben abgespielt hat. Sie beschreibt ihre Biografie nüchtern und abgeklärt. Daher schafft sie es, die Ereignisse zwar mit dem kindlichen Blickwinkel, den sie damals besaß, zu beschreiben und sie doch aus der Gegenwart zu deuten, was umso bemerkenswerter ist, da die Autorin heute einen akademischen Grad besitzt und sich aus eigener Kraft die Bildung aneignete, die nötig ist, um auf ein College zu gehen.
Es verwundert nicht, dass ein solcher Lebensweg schwierig ist und mit einer Menge Opfern einhergeht. So passieren auf dem Schrottplatz, den Taras Familie betreibt, immer wieder schwere Unfälle, die den dort arbeitenden Menschen ernste Schäden zufügen. Kaum eine Person in der Umgebung des Mädchens bleibt über die Jahre verschont. Für die Kinder ist das eine seelische Belastung und jeder versucht auf seine Weise, dem Vater und dessen Lehre zu entkommen. Für die Brüder liegt die Erreichung des Ziels in harter Arbeit, dem jüngsten Mädchen ist klar, sie will Bildung, sie will lernen.
Zwei Abschnitte unterteilen diese Biografie; der erste erzählt von der Kindheit der Autorin, im zweiten schildert sie ihren Weg an die verschiedenen Bildungseinrichtungen und dem Widerstand ihrer Familie. Wüsste der Leser nicht, dass Frau Westover tatsächlich ihre Lebensgeschichte beschreibt, er würde nicht glauben, dass ein solches Leben möglich ist. Was ihr ihm Namen des Glaubens widerfuhr, es ist für Unbeteiligte gedanklich schwerlich greifbar.
Natürlich erinnert das Buch in dieser Hinsicht an andere Erlebnisberichte, die gerne mal ein bisschen sensationsheischend daher kommen. Es kann gar nicht anders sein, bei einem solchen Lebensweg. Mehr als einmal stockt dem Leser der Atem, weil die so sachlich geschilderten Ereignisse so unglaublich, so entsetzlich sind. Da ist es auch kein Wunder, dass Tara Westover in einigen Magazinen interviewt wurde und die Medien über ihren Roman gerne berichten. Das ändert jedoch nichts daran, dass er im Gedächtnis bleibt. Eine Geschichte wie diese würde wohl niemand in einem modernen Land wie den USA für möglich halten und doch erweckt der Roman nicht den Eindruck, als hätte die Autorin etwas künstlich aufgebauscht oder der Dramatik wegen erfunden.
Vielleicht ist das Buch keine große Literatur, aber ganz sicher bewegt es seinen Leser. Wer ein Faible für dieses Genre hat, sollte hier zugreifen. Tara Westover schafft es, ihr Publikum mit auf eine Reise in die Vergangenheit zu nehmen, die es fassungslos und berührt zurücklässt.
Weitere Infos gibt es auf der Verlagsseite