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Im Anschluss an sein mit dem Pulitzer-Preis gekröntes Buch "Der König aller Krankheiten" hat sich der Mediziner und Autor Siddhartha Mukherjee mit psychischen Erkrankungen in seiner Familie befasst. Während diese die Erkrankungen, etwa Schizophrenie, überwiegend verleugnete, wusste Mukherjee um die mögliche Vererbbarkeit solcher Störungen, und ihn trieb durchaus die Sorge um, ob er oder auch seine Töchter möglicherweise die Krankheiten in die nächsten Generationen überführen und vor allem unmittelbar von ihnen betroffen sein würden. Daraus entstand das hier besprochene Buch.
Im Großen und Ganzen stellt es eine Geschichte der Vererbungslehre und der Umsetzung der aus ihr entnommenen Erkenntnisse dar: vor Mendel, von Mendel hin zu den Eugenikern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, weitere Fortschritte von der Entdeckung der Chromosomen und der DNA als Trägerin der Erbinformation, der Entschlüsselung der DNA-Struktur und den einzelnen Schritten der Genexpression bis hin zu neueren Entwicklungen, darunter die gentechnische Herstellung von Arzneimitteln wie Insulin und die Versuche, den Menschen mittels Gentransfers zu "verbessern".
Immer wieder aber finden sich Aspekte von Mukherjees Familiengeschichte in den einzelnen Kapiteln.
Manche Bücher entstehen eher zufällig, dieses definitiv nicht. Dass einen Mediziner mit mehreren Fällen schwerer psychischer Krankheiten in der eigenen Familie die Angst umtreibt, auch in ihm könne ein solches Erbe schlummern und nur auf seinen Ausbruch warten, ist verständlich. Nicht so verständlich ist Mukherjees Antwort darauf: ein allgemein verständliches Buch über die Geschichte eines Wissenschaftszweiges, der die Menschheit seit ihrem Entstehen umgetrieben hat wie kaum ein zweiter.
Anschaulich und fundiert erzählt der Autor, wie sich Menschen im Verlauf der Geschichte mit Vererbung befassten, zunächst die "alten" Griechen, über viele Jahrhunderte wenig modifiziert, und schließlich Darwin, dann Mendel mit seinen heute berühmten Erbsen-Experimenten. Von da an sollte nicht annähernd ein Jahrhundert vergehen bis zur Entschlüsselung der Struktur der DNA. Und nun kam, wie Mukherjee spannend und einfühlsam aufzuzeigen weiß, eine Lawine ins Rollen mit ehrgeizigen Forschern und ebensolchen Projekten, ein Spagat zwischen der Eitelkeit der Forschung, ethischen und moralischen Erwägungen, Gesetzen, die mit der Forschung nicht Schritt halten können, und den verzweifelten Wünschen von Menschen, die durch einen Gendefekt schwere Krankheiten in sich tragen und erleiden.
Neben Prolog, Epilog und Anhang enthält das Buch sechs umfangreiche, an der Chronologie orientierte Teile, in denen die Geschichte eines spannenden Ausschnitts der Naturwissenschaften Revue passiert. Hervorzuheben ist der Fotoblock ungefähr in der Mitte des Buchs, der Meilensteine der Genetik im Wortsinn perfekt ins Bild setzt.
Siddhartha Mukherjee hat das Thema fesselnd und dabei für die Allgemeinheit verständlich aufbereitet. Seiner Erzählung – von einer Abhandlung kann, auch in Anbetracht der sehr persönlichen Note, nicht gesprochen werden – lässt sich kaum etwas hinzufügen und dafür umso besser folgen. Der Autor weiß schlicht spannend zu schreiben und einwandfrei zu erklären.
Wer sich für Naturwissenschaften und nicht zuletzt Medizin und Genetik interessiert, sollte dieses Buch lesen, denn es lässt Zusammenhänge erfahrbar werden und fordert den Leser, ohne ihn zu überfordern.
Viel Inhalt, bestens aufbereitet, zu einem guten Preis!
Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.