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Als Layla, ihr Mann Jamal und die gemeinsame kleine Tochter Mina 1980 in München ankommen, haben sie bereits eine lange Flucht hinter sich - die Flucht aus Afghanistan, das von den Sowjets überrannt worden ist. Sie besitzen nichts mehr als das wenige Gepäck, das sie mitnehmen konnten, und ein paar tausend sorgfältig versteckte Dollar. Von der Sprache und der Kultur ihres Gastlandes verstehen sie nichts. Alles erscheint ihnen unglaublich fremd.
Zunächst werden sie einer Flüchtlingsunterkunft zugewiesen, schließlich erhält die mittlerweile um den Sohn Omar erweiterte Familie eine Wohnung. Jamal zieht einen bald florierenden Autohandel auf, Layla bleibt zu Hause. Mina wird eingeschult. Die Kinder lernen die fremde Sprache wie von selbst, Layla verweigert sich ihr, lässt jedoch die Kinder an deutschen Festen wie Fastnacht teilnehmen. Immer mehr Familienangehörige stranden ebenfalls in München, teils schwer traumatisiert, die Wohnung füllt sich, teils mit neuen Dauerbewohnern aus dem Familienkreis, die Jamal irgendwie herbeigeholt hat, teils mit eifrigen Besuchern. Layla bekocht sie und hält die Wohnung in Ordnung, und sie sorgt sich um ihre Kinder. Daraus besteht ihr Leben in Deutschland.
Während Layla noch lange darauf baut, dass eine Rückkehr nach Afghanistan möglich sein wird, hat ihr Mann diese Hoffnung rasch aufgegeben - sein Geschäft gibt ihm Bestätigung genug. Und mit der Zeit gerät alles aus den Fugen: die Beziehung zu den Kindern und die Ehe ebenso.
Gern sind Layla und Jamal nicht aus Afghanistan fortgegangen. Die beiden haben als Lehrer gearbeitet. Mit dem Einmarsch der Sowjets und den Gräueln, die sie ansehen mussten, fiel ihre Welt in sich zusammen. Sie wollten ihr Kind nicht sterben sehen wie so viele andere Eltern. Es blieb nur die Flucht – die Flucht in ein ihnen vollkommen fremdes Land, das zumindest für Layla nie Heimat werden wird.
In ihrem Buch beschreibt Wajima Safi das ernüchternde Ankommen in München, die Demütigungen, die Diskriminierung, der die Familie ausgesetzt ist. Sie zeigt aber auch auf, wie wenig gerade Layla dazu tut, sich zu integrieren. Da sie Deutschland nicht als Heimat akzeptiert, sondern sich ständig nach ihrem nicht mehr existierenden, im Nachhinein wohl auch idealisierten Afghanistan zurücksehnt – die nach ihr in München eingetroffenen Schwestern bestätigen sie darin -, unternimmt sie keine Bemühungen, die Sprache zu lernen, sich in das Umfeld einzubringen.
Immerhin hindern die Eltern die Kinder nicht gravierend daran, sich zu integrieren, jedenfalls den Sohn Omar nicht – auf Tochter Mina haben sie ein strengeres Auge. Dass die Kinder, insbesondere der bereits in Deutschland geborene Omar, dennoch ebenfalls nicht richtig "ankommen", liegt dann wiederum zu einem nennenswerten Teil an deutschen Vorurteilen, zu einem weiteren Teil an der eigenen, abgeschotteten Welt, in der die Familie lebt. An dieser unglückseligen Melange scheitert Omar, der zudem, ungewöhnlich für einen Afghanen, recht hellhäutig und blauäugig ist, letzten Endes.
Wajima Safi, selbst in Kabul geboren und in München aufgewachsen, beschönigt weder die eine noch die andere Seite. Für den deutschen Leser ohne Migrationshintergrund werden Fluchterfahrungen, Integrationshemmnisse und -hindernisse, Ängste, Diskriminierung, kulturell und religiös bedingte Blockaden und andere Bestandteile einer unglücklich verlaufenen Migrationsgeschichte erfahrbar. Ob Layla, die als Persönlichkeit für den Leser schwer fassbar bleibt, obwohl der Roman größtenteils aus ihrer Perspektive verfasst wurde, freilich irgendwie hätte geholfen werden können, bleibt unklar; immerhin hat sie ja eine deutsche Familie bei der Hand, die sie gerne beispielsweise beim Ausfüllen von Formularen unterstützt.
Später ist Omar der Protagonist. Seine ältere Schwester Mina verschwindet spätestens an dieser Stelle einfach aus der Geschichte, was den Leser irritiert. Erscheint sie der Autorin uninteressant, weil sie sich trotz aller Startschwierigkeiten integriert hat?
Sehr gut und spannend zeigt der Roman auf, dass Integration keine Einbahnstraße ist und Verpflichtungen sowohl bei den Bewohnern des aufnehmenden Landes als auch bei den Migranten selbst liegen – und dass beide Seiten, gerade auch nach anfänglichen Missverständnissen oder bewusster Zurückweisung, bisweilen scheitern.
Weitere Informationen werden auf der Verlagsseite angeboten.