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Die Begriffe "Narzissmus" und "narzisstisch" werden derzeit fast inflationär verwendet, und doch gibt es in dieser Hinsicht ein großes Tabu: die narzisstische Mutter, also eine Mutter mit ausgeprägten narzisstischen Anteilen oder auch einer ausgewachsenen narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Eine Idealisierung der Mutter findet nach wie vor statt, die Überzeugung, es könne nicht sein, dass manche Mütter ihre Kinder nicht nur nicht lieben, sondern sie sogar systematisch und sehr bewusst demütigen, auf vielfältige Weise misshandeln und missbrauchen und es darauf anlegen, ihre sich eigenständig entwickeln wollenden Persönlichkeiten nachhaltig zu zerstören.
Doch das gibt es, und es tritt gar nicht so selten auf. Der Anteil von Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung an der Gesamtbevölkerung wird auf vier Prozent geschätzt. In dieser Höhe dürfte auch die Quote der Personen liegen, die physische und psychische Gewalt durch eine über das Gesunde, Natürliche hinaus narzisstische Mutter erfahren haben.
In ihrem Buch "Narzissenkinder - Wenn Töchter unter narzisstischen Müttern leiden" befasst sich Monika Celik, selbst betroffen, mit solchen familiären Verhältnissen. Die ersten Kapitel bieten eine Einführung in die so lange unter den Teppich gekehrte Thematik - auch hier schon mit vielen konkreten Fallbeispielen. Es folgen Betrachtungen einzelner Phänomene, Mechanismen und typischer Abläufe, beispielsweise die Sabotage der Töchter oder einer von ihnen durch die Mutter, deren Aggressionen, die Einbindung anderer, die der narzisstischen Person auf den Leim gehen, in die Isolierung und Demütigung des Opfers und vieles mehr. Der Leser lernt hier auch Fachbegriffe wie "Flying Monkeys" und "Gaslighting" kennen.
Den Folgen des narzisstischen Missbrauchs und Möglichkeiten, mit ihm fertigzuwerden, sind einige Schlusskapitel gewidmet, auch wird eine detaillierte Checkliste angeboten, anhand derer möglicherweise Betroffene prüfen können, ob ihre Mutter womöglich eine "Narzisse" ist.
Monika Celik erläutert die Fakten und deren Konsequenzen sachlich, wobei immer ein Hauch Empathie mitschwingt, der bei diesem Betroffene stark triggernden Thema wohl auch nicht fehlen darf. Die erwähnte Fülle an Fallbeispielen besticht durch all die Nuancen, die aufgezeigt werden: von einem noch moderaten Missbrauch, der gleichwohl massive Folgen zeitigen kann, bis hin zu unsäglichen Grenzüberschreitungen und Misshandlungen, auch sexueller Natur, die nicht nur Opfer extrem schmerzlich berühren, jedoch unerlässlich sind, um das ganze Spektrum narzisstischen Missbrauchs durch entsprechend veranlagte Mütter aufzuzeigen.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Autorin nicht ausschließlich auf die Töchter eingeht, sondern auch den Ursachen des weiblichen Narzissmus nachspürt, der sich häufig auf selbst erlittenen narzisstischen Missbrauch in der Vergangenheit zurückführen lässt. Zum Wohl ihrer Zielgruppe weigert sich Frau Celik freilich, die narzisstischen Mütter von ihrer Schuld freizusprechen. Denn dass die Möglichkeit besteht, aus der Weitergabe an immer neue Generationen auszubrechen, zeigen ja all die Menschen, die mittlerweile Psychotherapeuten aufsuchen oder auch den Missbrauch in Foren und Selbsthilfegruppen aufzuarbeiten versuchen. Am Buch besticht die ideale Verbindung aus Sachlichkeit und Empathie ebenso wie die klare Struktur, die Fülle an gut aufbereiteten Informationen und das Angebot an konkreten Hilfen. Es fehlen Anleitungen wie jene in anderen Büchern zum Thema, die zum Beispiel das Schreiben und anschließende feierliche Verbrennen von Briefen an die missbrauchende Person oder Ähnliches vorsehen, was außerhalb einer Therapie doch sowieso keiner macht.
An wen wendet sich das Buch? Im Grunde an alle Frauen, die das unbestimmte Gefühl haben, einfach nie gut genug zu sein, die immer wieder in toxische Beziehungen geraten und die ahnen, dass ihre Mutter nicht so war wie andere Mütter: ermutigend, zärtlich, liebevoll und doch auch bereit, die Tochter ihre Flügel ausbreiten und sie durchstarten zu lassen. Die stattdessen Erniedrigung, Klammern oder massive Ausgrenzung, psychische und physische Gewalt aller Art, Erpressung, Verleumdung und Lügen von ihrer Mutter erfahren haben. Natürlich ersetzt das Buch keine Psychotherapie, doch es kann helfen, die vielen bitteren, ängstlichen und verzweifelten Gedanken zu sortieren, zu bündeln und hin zur Heilung zu lenken.