Karen und Tom leben seit zwei Jahren glücklich verheiratet in einer typischen amerikanischen Mittelschicht-Siedlung am Stadtrand. Sie sind ein unauffälliges Paar, bis Karen eines Tages in einer heruntergekommenen Gegend der Stadt mit rasanter Geschwindigkeit über einige rote Ampeln fährt und schließlich mit ihrem Auto gegen einen Strommast kracht.
Sie hat Glück im Unglück und wacht lediglich mit einer kräftigen Gehirnerschütterung und fehlender Erinnerung an das Vorgefallene im Krankenhaus auf. Tom kümmert sich liebevoll um sie, doch wegen Karens Fahrweise droht ihr ein Strafverfahren.

Allerdings geht es dann in den Ermittlungen rasch um etwas ganz anderes, denn in der Nähe vom Ausgangspunkt von Karens irrer Fahrt wird eine Leiche gefunden. Der ungefähre Todeszeitpunkt passt gut zu Karens Unfall. Und der Mann hat drei Einschusslöcher im Körper.
Aus dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr wird ein handfester Mordverdacht, zumal bald auch weitere Indizien gegen Karen sprechen, die sich weiterhin an nichts erinnern kann.

Mit The Couple Next Door hat sich die Autorin Shari Lapena bereits einen Namen gemacht. Nun legt sie mit "A Stranger in the House" einen weiteren Thriller vor. Auch hier steht ein Bilderbuchpaar im Zentrum der Story. Es tun sich Risse in der Fassade auf, weil Karens Amokfahrt, offensichtlich vom Schauplatz eines Mordes fort, auch für ihren Mann Tom jede Menge Fragen aufwirft. Er muss sich eingestehen, dass er nur sehr wenig über die Vergangenheit seiner Frau weiß – und das, was er schließlich in Erfahrung bringt, ist so gar nicht dazu angetan, ihn zu beruhigen. Die heile Vorstadtwelt bricht zusammen.

Zu einer weiteren Protagonistin wird Brigid, die Nachbarin der beiden und Karens beste und im Grunde einzige Freundin. Brigid weiß offensichtlich über jenen fatalen Abend und die vorausgegangenen, von Karen aufgrund ihres Traumas vergessenen Ereignisse mehr, als Karen und Tom recht sein kann. Und sie weiß, was sie will.

Shari Lapena zieht "A Stranger in the House" durchaus geschickt auf mittels diverser Perspektivwechsel zwischen den Hauptfiguren, zu denen auch ein Ermittlerduo gehört. Die Geschichte ergibt Sinn und wirkt insgesamt rund. Das Buch wird immer wieder ziemlich packend, allerdings mit vielen lästigen Längen durchsetzt, es dürfte ruhig ausgeprägtere Spannungsbögen geben – ultimativ fesseln kann der Thriller letztlich nicht. Er hat eher etwas von einem soliden, braven Krimi.
Dies liegt auch an den flau gezeichneten Charakteren. Da Karen, Tom und Brigid jeweils etwas zu verbergen haben, wagt die Autorin es nicht, zu früh zu viel preiszugeben, und so gehen die Konturen verloren. Während Brigid wohl noch am authentischsten daherkommt, wirkt Tom wie ein jämmerlicher Waschlappen, ein zu groß geratener hilfloser Junge. Das passt nicht so richtig zu der ihm zugedachten Rolle. Weichgespülte Figuren, Dialoge, denen oft ein kräftiger Biss fehlt: Es wäre mehr drin gewesen, die Idee hat eigentlich Potenzial. Denn der Leser ahnt zwar nach der Hälfte zumindest einen Teil der Auflösung, aber auch, dass da noch irgendwas Ausgefallenes kommen muss, und er bekommt am Ende eine doch einigermaßen verblüffende, gleichwohl glaubwürdige Wendung vorgesetzt, lächelt und denkt: Geht doch! An "The Couple Next Door" kommt Lapenas Neuling dennoch nicht ran.

Zweifellos ganz nette Unterhaltung für Krimifreunde an Winterabenden oder für eine Bahnfahrt, mehr leider nicht.

Reinlesen ist auf der Verlagsseite möglich.