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Eva hat sich vor einiger Zeit von ihrem Mann Svante scheiden lassen. Nun, da er mit seiner neuen Liebe in eine neue, idyllische Reihenhaussiedlung gezogen ist und bald wieder heiraten wird, sucht sie noch einmal das Gespräch mit ihm. Sie geraten ganz in der Nähe seines Hauses in Streit, und plötzlich wird Eva niedergeschlagen. Als sie wieder zu sich kommt, findet sie neben sich Svante mit durchgeschnittener Kehle. Sie alarmiert die Polizei, gerät jedoch unversehens unter Mordverdacht. Und die einzige Person, die aus einiger Entfernung Zeugin der Szene gewesen sein muss, eine südosteuropäische Bettlerin, scheint unauffindbar verschwunden zu sein.
Während Eva sich auf die Suche nach dieser Entlastungszeugin macht, nachdem sie mit Auflagen auf freien Fuß gesetzt wurde, geht in Svantes Siedlung die Angst um. Denn nicht weit von den Häusern entfernt entdecken Kinder teilskelettierte Leichenteile, und ein unheimlicher Mann schleicht nachts durch die Siedlung und späht in die Wohnungen. Gibt es einen Zusammenhang mit der längst geschlossenen riesigen psychiatrischen Anstalt von Beckomberga, auf deren Gelände sich die Siedlung befindet? Immer mehr Indizien weisen darauf hin.
War es ein Fehler, Svante zu verlassen? Nicht erst seit sie die mysteriöse Zeugin für den Mord an ihm und damit ihre eigene Entlastung sucht, stellt sich Eva diese Frage. Sie hat ihn eine Weile regelrecht gestalkt, meist per Telefon, und unglücklicherweise in der Nacht des Mordes mehr oder weniger vor seinem neuen Haus abgepasst.
Außer Eva und Svante sind in der Siedlung, wie es scheint, nachts eine Menge Leute unterwegs. Dass die unheimlichen und grausigen Ereignisse dort etwas mit der ehemaligen psychiatrischen Anstalt zu tun haben dürften, zeigt sich schon im Prolog, der zur Zeit der Schließung der Einrichtung spielt. Die düstere Stimmung steigert sich immer weiter, während die Handlung in mehreren Strängen voranschreitet. Für den Leser lässt sich die Spannung schier greifen.
Immer wieder jedenfalls. Denn die Autorin verliert offensichtlich über weite Strecken ihr Genre aus den Augen. Sozialkritik gehört zwar spätestens seit Henning Mankell zu den wichtigen Gewürzen des Schwedenkrimis, doch intensive und beharrliche Kontaktaufnahmen mit Roma-Bettler-Gruppen und ehrenamtlichen Helfern in Stockholm und Rumänien, Cyber-Kriminalität sowie Ausflüge in die Berliner Hausbesetzerszene und zum Budapester Ostbahnhof, da der Rumänien-Ausflug durch Ungarn führt und das just zu der Zeit, als dort die erste Flüchtlingswelle zum Stehen kam, sorgen in der Summe für eine Überdosierung.
Darüber hinaus taucht die Autorin auch tief in das Unsägliche ein, das vor der Schließung der psychiatrischen Anstalt den Patienten angetan wurde. Alles für sich natürlich bedeutsame Themen, sämtlich in einem Krimi versammelt aber doch Spannungskiller, zumal Evas Fahrt mit ihrem sie unwillig unterstützenden erwachsenen Sohn nach Rumänien zwecks Auffindung ihrer Zeugin das Genre mehr zum Roadmovie mutieren lässt.
Ebenfalls irritiert die Tatsache, dass keine der Hauptfiguren als Sympathieträger auftritt, Eva mit ihrer Stalking-Neigung so wenig wie der narzisstisch anmutende Svante, der stets auf Krawall gebürstete, unstete Sohn oder Svantes in Familienfragen höchst ungeschickter Nachbar, dem ein eigener Erzählstrang gehört. Allenfalls die ehemalige Krankenschwester aus der Psychiatrie, die schließlich einen erheblichen Beitrag zur Aufklärung des Handlungsgeflechts leistet, kann beim Leser punkten.
Schade, denn mit weniger ablenkendem Beiwerk und dafür einer komplexeren eigentlichen Krimihandlung hätte dieser atmosphärisch sehr dichte und grundsätzlich auch sehr fesselnde Roman das Potenzial für fünf Sterne. So, wie es ist, bietet das Buch durchaus gute und immer wieder auch spannende Unterhaltung – und zum Schluss eine überraschende Wendung.
Reinlesen ist auf der Verlagsseite möglich.