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Wahrheit, Nähe und Distanz. Das sind große Themen, die jeden Menschen irgendwann einmal beschäftigen. Die junge UN-Mitarbeiterin Mira blickt auf ihr bisheriges Leben zurück. An jene Zeit, die sie als Kind in der Familie von Milan verbracht hat. An ihre Einsätze als junge Frau für die Vereinten Nationen in Burundi und auf Zypern.
Als Erwachsene trifft sie in Genf Milan wieder. Er ist nun verheiratet und hat einen Sohn. Mira spürt sofort eine große Verbundenheit mit ihm. Milan hingegen bleibt lange distanziert. Ein Abend in einer Hotelbar verändert ihre Beziehung.
In der Schweiz trifft Mira auch ihre ehemalige Kollegin Sara wieder. Die beiden Frauen blicken auf ihre gemeinsame Zeit in Burundi zurück. Sara nüchtern und desillusioniert. Mira noch immer mit etwas gebrochenem Idealismus. Was haben sie wirklich erreicht für die Bevölkerung während ihres Aufenthaltes in dieser UN-Schutzzone?
Die Begegnung Miras mit dem charismatischen Politiker Aimé stellt schließlich die Integrität der jungen Frau infrage. Erneut bilden Nähe und Distanz sowie die Suche nach der Wahrheit das Zentrum der Ereignisse. In einem Gespräch mit ihrem Chef kommt sie schließlich zu einer bitteren Erkenntnis und muss eine Entscheidung treffen.
"Schutzzone" wird als literarisches Werk über die Vereinten Nationen beworben und provoziert damit unwillkürlich den Vergleich zu Robert Menasses Roman über die Europäische Kommission. Eine Gegenüberstellung, der das Buch nicht standhalten kann. Menasse wechselt genial zwischen Realität, Illusion und Utopie. Und beschäftigte damit monatelang die Kritiker ob der Quellen zu seiner These, Auschwitz sei die einzig wahre Hauptstadt Europas. Eine solch großartige Gaukelei lässt Schutzzone vermissen. Der Roman beschreibt eine Realität, die jeden, der die Nachrichten der letzten Jahre verfolgte, nicht überraschen dürfte. Dennoch hat das Buch Stärken, die sich besonders aus den differenziert und spannend geschilderten Charakteren der verschiedenen Protagonisten ergeben. Gekonnt erzählt sind ebenfalls die subtilen Beziehungsgeflechte der agierenden Personen sowie die Widerstände, Zweifel und Widersprüche auf die die Mitarbeiter der Vereinten Nationen bei ihren Einsätzen stoßen.
Der Schachzug der frisch gekürten Kranichsteiner Literaturpreisträgerin Nora Bossong, ihre Protagonistin die Ereignisse nicht chronologisch wiedergeben zu lassen ist reizvoll. Der Roman wechselt zwischen Orten und Zeitebenen, sowie den privaten und beruflichen Erlebniswelten der Icherzählerin. So entsteht ein gelungener Spannungsbogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Trotzdem verliert der Leser nie den roten Faden.
Anders verhält es sich bei der Liebesgeschichte zwischen Mira und Milan, die einen zu großen Raum einnimmt. Sie trägt wenig bis nichts zum Verständnis der Geschichte bei.
In der Begründung zur Verleihung des Kranichsteiner Literaturpreises an Nora Bossong heißt es auf der
Website des Deutschen Literaturfonds: "(...) vor allem dreht sich hier alles um eine grundsätzliche literarische Frage: 'Sucht man sich ein Leben aus? Oder lebt man es nicht eher?" Eine Zusammenfassung, die die Gewichtung des Romans auf die eher privaten und, wenn auch großen, allgemeinen Lebensfragen, auf den Punkt bringt.
Fazit: ein sprachlich eloquenter und gedanklich komplex konstruierter Roman, der sich jedoch besser auf das Thema der vielschichtigen Problematik von internationalen Missionen beschränkt hätte. Einen dicken Pluspunkt gibt es für das interessante Hintergrund-Dossier zu den im Buch beschriebenen zeitgeschichtlichen Ereignissen und Personen, das der Verlag auf seiner Internetseite zur Verfügung stellt.
Eine Leseprobe ist auf der Verlagswebseite zu finden