Es waren vor allem die schweren Luftangriffe im März 1944, die das Gesicht der altehrwürdigen Stadt Frankfurt am Main für immer veränderten. Nicht zuletzt fiel ihnen die Altstadt zum Opfer, ein ziemlich erstaunliches Ensemble auf engstem Raum. Die Trümmer konnten nach dem Krieg zum Kilo- oder Zentnerpreis erworben werden.
Jahrzehntelang hielt sich die Sehnsucht, diese Altstadt wieder auferstehen zu lassen. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurde der Wiederaufbau beschlossen, nachdem das auf dem Areal angesiedelte Technische Rathaus, ein typisches Konstrukt des Brutalismus, zum Abriss verdammt worden war. Wie das Projekt realisiert werden sollte, darüber entbrannten naturgemäß heftige Diskussionen. Schließlich stand es. Disneyland, Puppenstube, sagen die einen - die Stadt habe ihre Seele zurück, die anderen.

In seinem Buch über die Frankfurter neue Altstadt befasst sich Freddy Langer mit dem gesamten Phänomen "Neue Altstadt", Historie, unterschiedlichste Pläne, Durchführung der Planung und Arbeiten sowie Motivation der Architekten, aktuelle Nutzung - teils im Vergleich zur früheren - und Auswirkungen inklusive.

Zu den klassischen Vorurteilen gegenüber der Frankfurter Altstadt gehört der Eindruck, sie sei gewissermaßen statisch gewesen. Damit räumt der Autor schon frühzeitig auf und berichtet über die dynamische Entwicklung, der sie über die Jahrhunderte unterworfen war.
Selten, wenn überhaupt, hat es in Frankfurt ein umstritteneres Projekt als die neue Altstadt gegeben; ein Millionengrab für manche, eine absolute Notwendigkeit für andere. Das Ergebnis scheint eine weitgehende Versöhnung bewirkt zu haben. Trotzdem haben sich nicht allzu viele Bürger und Touristen mit dem Projekt befasst. Freddy Langer möchte hier Abhilfe bieten.

Er skizziert die Geschichte der historischen Altstadt einschließlich der Königs- und Kaiserkrönungen, ihre Höhen und Tiefen als Ganzes und im Detail. Katastrophale hygienische und soziale Bedingungen sind ebenso ein Thema wie die Prachtentfaltung, die sich in einzelnen Gebäuden manifestierte.
Und so porträtiert er die Brüder Treuner, die zunächst aus privater Leidenschaft, dann im Auftrag des Historischen Museums die Altstadt vor und nach dem Krieg als detailgenaues Modell nachbauten, den Mundartdichter und Revolutionär Friedrich Stoltze, historische Hausbesitzer und neue Inhaber mit ihren teils kreativen Ideen, die doch immer an die Historie anknüpfen, in Interviews auch einzelne Architekten mit "ihren" Gebäuden, die sie sich teils erst während der Arbeit wirklich erschlossen – und vieles mehr. Zahlreiche Fotografien ergänzen die einzelnen Kapitel.

Für das viel geschmähte und kaum genutzte Stadthaus bricht Langer eine ansehnliche Lanze, sodass gerade Frankfurter es mit neuen Augen betrachten werden. Mit viel Sachwissen nimmt er den Leser mit auf eine in puncto Strecke sehr kurze, doch, am Gehalt gemessen, große Reise. Dieser wird unter vielem anderen in versteckte Winkel, auf belebte Plätze, zum Haus ohne Erdgeschoss und zum Brunnen mit dem Bildnis eines Mannes entführt, den die asiatischen Besucher aufgrund seines Rauschebartes für Karl Marx halten. Dass es sich um den bereits erwähnten Friedrich Stoltze handelt: sei's drum. Den Leser von Langers Buch interessiert es durchaus. Ebenso die vielen seinerzeit von Planern und Visionären durchgespielten Optionen in Gegenüberstellung zu dem resultierenden Kompromiss.

Was neben der Fülle und Umfänglichkeit der Fakten am Buch besonders besticht, ist der geradezu liebevolle Zugang, wenngleich Kritik am Projekt nicht unterschlagen wird. Das charmante Werk hört nie auf, ein Sachbuch zu sein, und doch spiegelt sich in den Texten die Zuneigung des Autors zum Sujet wider. Das macht dieses letztlich auch interdisziplinäre Buch so anziehend und kurzweilig.
Für Frankfurter und Frankfurtreisende ein echtes kleines Juwel!

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.