Hulda Hermannsdóttir hat jahrzehntelang engagiert und zuverlässig für die Polizei in Reykjavík gearbeitet, oft an vorderster Front, ebenso aber auch zäh und hartnäckig in der zweiten Reihe. Nun soll die 64-jährige Kommissarin ihren Platz für einen jungen, ambitionierten Polizisten räumen, sprich, einige Monate verfrüht in den Ruhestand gehen.

Dies zu akzeptieren, fällt Hulda schwer. Immerhin darf sie noch einen sogenannten cold case, einen liegen gebliebenen, nie richtig aufgeklärten Fall, aussuchen und aufklären. Sofort fällt ihr ein rätselhafter Todesfall ein, und sie hängt ihr Herzblut an die Ermittlung, die innerhalb kürzester Zeit erfolgen muss.

Sehr bald geht es nicht mehr nur um den von Hulda gewählten Fall, sondern auch um ihre Vergangenheit - und um ihr Leben.

Sie fühlt sich gedemütigt, gekränkt, aussortiert – Kommissarin Hulda wird regelrecht in den vorgezogenen Ruhestand gedrängt. Und was manchem als erstrebenswert erschiene, löst in Hulda Empörung und Entsetzen aus. So viele Jahre hat sie nur für ihre Arbeit gelebt, praktisch ohne freundschaftliche Kontakte und zudem lange Zeit auch ohne Lebenspartner, denn ihr Ehemann verstarb relativ jung. Da erweisen sich Gedanken an den Ruhestand, ob verfrüht oder nicht, als geradezu beängstigend, gleichgültig, wie hart gesotten Hulda im Dienst ist und wie oft sie sich von der Männerriege innerhalb der Behörde übergangen gefühlt hat.

Nun gut, sie darf noch rasch einen alten Fall wieder aufnehmen und wählt eine Russin namens Elena, die zuletzt in einem Flüchtlingsheim nahe Reykjavík lebte und sich nach dem bisherigen Stand der allerdings extrem schlampig geführten Ermittlungen an einem abgelegenen Ort selbst das Leben nahm. Schon nach kurzer Zeit erkennt Hulda, dass dies sehr unwahrscheinlich ist.

Auf der Suche nach Elenas Mörder entwirrt Hulda alte, spröde Fäden, sprengt versehentlich eine laufende Ermittlung hinsichtlich eines "großen Fischs" und wirbelt eine Menge Staub auf. Staub, den auch die Person wahrnimmt, der Huldas Nachforschungen gelten.
An einem einsamen Ort kommt es zu einem eigenwilligen Showdown.

Drei Handlungsstränge bestimmen Ragnar Jónassons Thriller "Dunkel": der aktuelle um Huldas Fall, jener um ihre Mutter und Huldas schwierige Kindheit – und einer, der das Verschwinden einer jungen russischen Asylbewerberin schildert.
Den als zweiten Genannten hätte Jónasson ruhig weglassen können, weil er sich im Verlauf des Hauptstranges sowieso in diesem auflöst, somit redundant ist und eigentlich eher wie ein Versuch zum Aufblähen des Buchs wirkt. Darüber lässt sich jedoch einigermaßen hinwegsehen, da der Thriller insgesamt auf eine eigenwillige Art durchgehend spannend gestaltet ist. Raffinierte Psychospielchen fehlen allerdings ebenso wie ein rasanter Plot; obwohl Hulda unter Zeitdruck ermittelt, liegt ein eigentümliches, "nordisches" Phlegma über der Handlung, die Stimmung ist von Düsternis geprägt, obwohl allmählich die Tage länger werden. Hier deutet sich ein Aspekt an, für den der Titel steht, der andere erschließt sich erst nach vielen Seiten.

Hulda als Charakter wird viele Leser berühren in ihrer von ihrer Vorgeschichte geprägten Isolation im Job, Arbeitswut und Einsamkeit, nicht zuletzt auch wegen ihrer zwiespältigen Gefühle gegenüber dem unvermeidlichen Ruhestand und weiterer innerer Widersprüche. Ihr sprödes Wesen erklärt sich erst nach und nach. Das Ende des Thrillers mag mancher als wahres Kabinettstückchen betrachten, es kann aber auch völlig verquer und unangebracht wirken. Oder beides. Lassen Sie sich überraschen.

Dass die Trilogie aus zeitlicher Sicht mit dem Ende beginnt und der Folgeband wesentlich früher ansetzt, führt die unkonventionelle Erzählweise fort. Die beiden weiteren Bände "Insel" und "Nebel" sind mittlerweile erschienen. Der Einstieg überzeugt bereits. Lange möge Hulda leben.

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.