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In seinem jüngsten Werk stellt uns Bernhard Schlink neun Erzählungen vor, die von Abschieden erzählen. Von Vergeblichkeit, Verdrängung, Schuld und Unschuld.
Da sind zwei Freunde seit Kindertagen. Und da ist noch Lena, die Tochter des einen, der nun tot ist. Sie bittet den Vertrauten ihres Vaters um Unterstützung bei einer Forschungsarbeit. Am Ende führt diese Reise in die Vergangenheit zur Enthüllung eines Geheimnisses, vor der sich der Freund des Toten so sehr fürchtete.
Da ist die Geschichte von Anna und ihrem „Pygmalion“. Im Gegensatz zum Vorbild gibt es hier kein Happy End. Es ist auch eine Heraufbeschwörung einer anderen literarischen Vorlage: „Lolita“ Sie wird von Autor sehr sensibel, ohne moralischen Zeigefinger oder Obszönität erzählt. Am Ende der Geschichte spielt auch hier Schuld eine große Rolle. Die Schuld, weggesehen zu haben, aus der eine tödliche Konsequenz folgte.
Da ist Susanne, die Menschenspielerin. Und Philipp, der gerne der Spielmacher wäre. Und wieder sind Schuld und vermeintlicher Verrat die eigentlichen Hauptdarsteller.
Abschiedsfarben ist ein gut gewählter Titel, werden in den neun Erzählungen die Facetten des Themas wie einem Farbkaleidoskop entnommen, beschrieben. Die Erzählkunst des Autors des „Vorlesers“ zeichnet sich hier durch das Erzeugen der Spannung durch Fehlen der Auflösung aus. Durch das Verbleiben im Ungewissen. So könnte es für jede Geschichte eine Fortsetzung geben. Oder einen ganz anderen Schluss. Das regt die Fantasie an. Schlick läuft jedoch mit einigen seiner Plots Gefahr, seine Leser zu überfordern. Nicht, weil es ihnen an Fantasie mangelte. Bei einigen der Erzählungen braucht der Leser schon ein gewisses Vorwissen über literarische Anspielungen auf Themen der Bibel oder der Theater- und Filmgeschichte. Wahrscheinlich geht der Autor davon aus, dass seine Leser aus dem gleichen Fundus schöpfen können wie er.
Schlink versteht es durch die Wahl der Themen, der Bildersprache und dem Belassen im Ungewissen die Leser in den Bann seiner Erzählungen zu tiefen. Keine der geschilderten Lebensgeschichten lässt einen kalt. Das Gegenteil ist der Fall.
Wie immer bei Diogenes ziert den Buchumschlag ein Gemälde, das neugierig macht auf den Inhalt. Bei Abschiedsfarben sitzt eine junge Frau auf einem Bett. Ihr Rücken ist dem Betrachter zugewandt. Ihre dunklen Haar sind hochgesteckt. Sie streift einen roten Umhang ab und entblößt ihren weißen Hals und ihre linke Schulter. Abschied und Verführung. Trauer und Schuld. Ein weiteres schönes Ausstattungsdetail ist das nachtblaue Lesebändchen, das das Wiederfinden der zuletzt gelesenen Stelle nach einer Pause erleichtert.
EineLeseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.