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 Der Funke des Chronos

Autoren: Thomas Finn
Verlag: Piper

Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Mit "Der Funke des Chronos" legt Thomas Finn seinen ersten Roman vor, der nicht vor dem Hintergrund einer fiktiven Fantasywelt angesiedelt ist, sondern auf der Erde spielt. Allerdings wäre es keine Geschichte aus der Feder des sympathischen Hamburger Autors, wenn er das phantastische Element ignorieren würde.
So nimmt uns der Roman mit auf eine abenteuerliche Zeitreise ins Hamburg des Jahres 1842, nur wenige Tage vor dem großen Brand am 3. Mai, der die Hamburger Altstadt völlig zerstören und den Ausschlag dafür geben sollte, dass die Stadt an der Elbe heute so aussieht, wie wir sie kennen.

Hamburg im Dezember 2006: Den Medizinstudenten Tobias umgibt das Geheimnis einer unbekannten Herkunft. Er wurde als Junge mit Gedächtnisschwund auf den Stufen der Hamburger Michaeliskirche gefunden und ist danach in einem Waisenhaus aufgewachsen. Die Frage, wer seine Eltern waren, konnte er nie klären. Auch ist ihm unbekannt, von wem die Geschenke stammen, die er jedes Jahr kurz vor Weihnachten per Post erhält. Doch dieses Jahr bekommt Tobias kein normales Geschenk, sondern einen mysteriösen kristallenen Stab. Eine CD, die dem Päckchen beiliegt, führt ihn in einen Uhrmacherladen in die Hamburger ABC-Straße, wo er auf einen alten Mann trifft. Dieser scheint Tobias gut zu kennen. Er führt den Studenten in den Keller des Hauses, wo er ihm eine seltsame, auf metallenen Kufen stehende Apparatur präsentiert, die er als Zeitmaschine bezeichnet. Nun überschlagen sich die Ereignisse, als ein weiterer Fremder mit einer Pistole auftaucht, der den Alten niederschießt. Im folgenden Handgemenge stirbt der Fremde durch eine Kugel aus seiner eigenen Waffe. Tobias will fliehen, doch als die Polizei vor dem Haus auftaucht, sieht er sich gezwungen, das Wagnis einzugehen und die vermeintliche Zeitmaschine zu benutzen.
Diese funktioniert zu seiner Überraschung tatsächlich und versetzt in den Mai 1842, wo ein unheimlicher Mörder in Hamburg sein Unwesen treibt, der bereits sieben Menschen auf bestialische Weise getötet hat.

TobiasÂ’ Reise in die Vergangenheit entwickelt sich zu einem phantastischen Abenteuer, in dessen Verlauf der "Gestrandete" ein gänzlich anderes Hamburg kennen lernt, als er aus seiner Zeit gewohnt ist. Dabei trifft er auf einflussreiche Vertreter der Hamburger Oberschicht, einen pflichtbewussten Polizeiaktuar, der den mysteriösen jungen Mann für den Hauptverdächtigen der grausamen Mordserie hält, sowie eine Reihe berühmter historischer Zeitgenossen wie das Wunderkind Johannes Brahms und den Dichter Heinrich Heine. Zusammen mit letzterem begibt sich Tobias auf die Suche nach dem Erbe des mysteriösen Freimaurers Freiherr von Ecker und Eckhofen. Dieser schien einst eine Möglichkeit entdeckt zu haben, durch Raum und Zeit reisen zu können. Und natürlich gilt es auch noch, das Geheimnis um TobiasÂ’ Herkunft zu entschlüsseln.

"Der Funke des Chronos" weiß im Großen und Ganzen zu gefallen. Thomas Finns Schreibstil ist flüssig und gut lesbar. Er versteht es, den Leser mit einer spannenden Handlung zu fesseln und macht es ihm sehr schwer, das Buch vor der letzten Seite aus der Hand zu legen.

Das Hamburg des Jahres 1842 wird anschaulich beschrieben, und man glaubt dem Autor, dass er sehr um die Authentizität dieser Darstellung bemüht war. Gerade die Verwendung des markanten Dialekts bei der einfachen Bevölkerung der Hansestadt trägt einen Großteil dazu bei. Wer jetzt allerdings fürchtet, dass der Roman stellenweise unverständlich wird, kann beruhigt werden. Auch der Rezensent als gebürtiger Franke hatte bei der Lektüre nur geringe Verständnisprobleme.

Eine weitere Stärke des Romans liegt in der Darstellung der Charaktere. Finn verzichtet dankbarerweise auf die Verwendung von Archetypen. Es gelingt ihm vielmehr, den handelnden Personen durch ganz persönliche Stärken und Schwächen Leben einzuhauchen und sie als Individuen glaubhaft zu machen. Ein besonderer Sympathieträger ist hierbei der Nachtwächter Borchert, der zu einer Art geheimen Hauptfigur des Romans avanciert und mit dem Thomas Finn ein neues Hamburger Original erschaffen hat.

Ärgerlich fällt jedoch auf, dass ihm diese sonst durchgängige Individualisierung ausgerechnet bei einer der wichtigsten Figuren, dem Bösewicht des Romans, misslungen ist. Dieser erfüllt durch sein Auftreten und seine Sprache alle Klischees eines archetypischen Antagonisten und wirkt damit auf lange Sicht unglaubwürdig.

Auch hat es den Anschein, dass Thomas Finn so schnell wie möglich mit der eigentlichen Handlung im Jahr 1842 beginnen wollte und deshalb die Ausarbeitung des Einstieg vernachlässigt hat. Bei einer Zeitreisegeschichte ist es für den Leser jedoch wichtig, dass die Umstände, durch welche der Protagonist in die Vergangenheit versetzt wird, nachvollziehbar sind. Die ersten 50 Seiten des Romans wirken somit eher wie eine Tour de Force durch das Leben von Tobias, und auch die Begegnung mit dem alten Mann sowie die Flucht mit der Zeitmaschine wirken sehr künstlich. Zwanzig Seiten mehr hätten die Handlung hier etwas entzerren und glaubwürdiger machen können.

Ansonsten ist "Der Funke des Chronos" eine spannende Lektüre und rundum zu empfehlen. Für gebürtige Hamburger und andere Bewohner der Elbe-Metropole gehört dieser Roman dagegen fast schon zur Pflichtlektüre. Als besonderes Bonbon enthalten die Vorsatzseiten des Buches zwei schöne Karten vom Hamburg des Jahres 1842 sowie von den Auswirkungen des großen Brandes.

Markus Goedecke



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2006 | ISBN: 3492701280 | Preis: 19,90 Euro | 412 Seiten | Sprache: Deutsch

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