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Einen sehr eigenwilligen Thriller drehte Regisseur Brett Leonard mit "Feed". Eigenwillig, da es sich um einen Film handelt, der sich mit menschlichen Extremen beschäftigt, die für die meisten Menschen kaum nachvollziehbar sind.
Phillip ist ein Cybercrime-Ermittler. Jedoch ist er nicht einfach irgendwer in seinem Spezialgebiet, sondern der beste seines Fachs. Ob Pädophile, Kannibalen, illegale Pornos aus allen Ecken - Phillip verfolgt einmal aufgetane Spuren hartnäckig und erfolgreich. Eines Tages entdeckt er eine Fetterotik-Seite, auf der Frauen mit einer Webcam beobachtet werden, die man als "Gainer" bezeichnet. Mitsamt medizinischer Daten stellt der Betreiber der Webseite, der so genannte "Feeder", die Bilder und Daten der Frauen ins Internet - mit deren Einverständnis.
Phillip jedoch vermutet mehr hinter der ganzen Geschichte, zumal er bei der Webseite auf einen maximal geschützten Server trifft. Als seine Recherchen aufdecken, dass einige der auf der Webseite gezeigten Frauen verschwunden sind und mindestens eine mittlerweile bewiesenermaßen verstorben ist, will Phillip eingreifen - und wird suspendiert. Man wirft ihm vor, zu besessen von seiner Arbeit zu sein und zu streng in seinen Annahmen. Jemanden zu füttern sei schließlich kein Verbrechen, argumentiert sein Vorgesetzter. Doch Phillip stellt die Gegenfrage: Ist es denn nicht umgekehrt auch ein Verbrechen, jemanden verhungern zu lassen?
Ohne Rückendeckung und in eigener Mission macht Phillip sich auf nach Ohio, um den Webseitenbetreiber auf eigene Faust dingfest zu machen.
Das Bemerkenswerteste an diesem Film ist, dass es sich um einen Thriller handelt, der reale Gegebenheiten thematisiert. Es
gibt Menschen, die in einem Feeder-Gainer-Verhältnis leben wollen - so wie es Menschen gibt, die andere essen wollen oder umgekehrt von anderen verspeist werden wollen, wie der Film ebenfalls am Rande aufzeigt. Dass der Zuschauer die dargestellte Thematik also in die Ecke des Fantastischen schiebt, ist so leicht nicht möglich, nicht ohne Scheuklappen zumindest. Spätestens der "Kannibale von Rotenburg, der 2001 in die Schlagzeilen geriet, weil er jemanden getötet und gegessen hatte und dies auch freimütig gestand, hat den Menschen gezeigt, dass auch in durchaus zivilisierter Kultur solche Fantasien Männer wie Frauen beschäftigen. Auch Feeder-Fälle sind - wenn auch nicht unbedingt so, wie es im Film dargestellt wird - bekannt. Krank und abartig oder nachvollziehbar, vielleicht gar evolutionär? Dies sind die Fragen, die Leonard in seinem Film stellt.
In den vom Regisseur gestellten Fragen liegt zugleich der größte Kritikpunkt am Film. Leonard hat sich sehr bemüht, keine Wertungen in den Film einzubringen und den Zuschauer sich seine eigene Meinung bilden zu lassen, was dem Film eine besondere Bedeutung zukommen lässt, doch ist die Umsetzung inkonsequent.
Der Feeder Michael, hervorragend gespielt von Alex OLoughlin, zeigt sich in einem ständigen Zwiespalt. Auf der einen Seite offenbar sehr intelligent und überlegt, entpuppt er sich dann doch als schlichtweg Irrer. Eine Tatsache, die durch die im Film dargestellte Biografie des Charakters schon als solche präsentiert wird, bevor der Zuschauer ein eigenes Bild fassen kann.
Auch das Gegengewicht durch Phillip, ebenfalls sehr überzeugend gespielt von Patrick Thompson, kann die Vorverurteilung nicht aufheben. Bei diesem Charakter versuchte man ebenfalls, als Gegengewicht eine ungesunde Einstellung zu Leben, Frauen und Ästhetik darzustellen. Doch die Tatsache, dass dadurch zwei gestörte Personen aufeinander treffen, deren verstörende Kindheit bei beiden zum Tragen und zur Erklärung kommt, führt zu Aussagen, die der Film im Grunde scheinbar gar nicht fassen wollte und gleichermaßen selbige ad absurdum. Je mehr der Film zu erklären versucht, desto unrealistischer wird er - was gerade angesichts der realen Themengrundlage mehr als bedauerlich ist.
Was bleibt, ist ein trotzdem spannender und teils Ekel erregender Thriller, den man ab einer gewissen Laufzeit nur eben nicht mehr völlig ernst nehmen kann.
Der Film hält die Spannung durch einen Handlungfaden, der sich in mehrere Teile gliedern lässt: Nach dem Schlagabtausch zwischen Polizist und Täter via Internet folgt das Zusammentreffen der Charaktere. Dieses Zusammentreffen fußt zunächst auf Argumenten und erst im Finale kommt es zu körperlicher Auseinandersetzung.
Erwähnenswert ist auch das Bild. Vor allem anfangs sind viele Szenen von kalten Farben dominiert und auch im weiteren Verlauf des Films sind es ausladend verwendete intensive Farben, die dem Film einen sehr eigenen Charakter verleihen.
Auch die hastig wechselnden Einstellungen zwischen der "Beziehung" und dem Sexualleben des Polizisten auf der einen und dem des Feeders und seines Gainers Deidre auf der anderen Seite fördert das Wahrnehmen des Gegensätzlichen im Film und fällt sehr positiv auf.
Bei den Extras findet sich ein Interview mit dem Regisseur, ebenso das Making of des Fatsuits, der im Film verwendet wurde - denn die gezeigte Dame Deidre verfügt mitnichten über die gezeigte Körpermasse von 302 Kilogramm. Auch ein paar Fake-Werbeszenen für den Film sowie der Trailer sind zu sehen.
Als unterhaltsam lässt sich der Thriller kaum bezeichnen, da er ernste Fragen aufwirft und teils wirklichen Ekel erregt, doch er ist interessant und spannend. Leider hat der Regisseur sich auf zu viele und zu seichte Erklärungen sowie Kompromisse eingelassen, was den Film leider einiges an Wert gekostet hat.