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Die Comics aus der "Sandman"-Reihe, die soviel mehr zu bieten haben als bunte Bilder mit Sprechblasen, gehen mit diesem Sammelband in die letzte Runde. Mit etwa 180 Seiten zieht der Schöpfer Neil Gaiman sich aus den Geschichten der Ewigkeit zurück.
Dieser Band lässt sich in drei Teile gliedern.
Zu Anfang steht "Das Erwachen" an sich. Morpheus, der Herrscher des Traumreiches und zugleich Dream von den sieben Ewigen, ist tot. Die Figur Dream lebt zwar erneut und zugleich fort in dem ehemaligen Jungen Daniel, doch Morpheus als Persönlichkeit ist weg. Alle, die je seinen Weg kreuzten - und das sind letztlich alle Menschen, da jeder stets träumt, zusätzlich viele Gestalten aus der Welt der Mythen und der Fantasie - treffen zusammen, um sich von ihm bei seiner Beerdigung zu verabschieden. Zugleich wird jedoch klar, dass das Ende von etwas stets auch der Anfang von etwas Neuem ist.
"Exile" ist eine Geschichte, die zwar auch zur Reihe gehört, jedoch völlig unabhängig von den vorherigen Geschehnissen ist. Ein kaiserlicher Ratgeber aus dem asiatischen Raum wurde ins Exil geschickt. Bei seinem Weg quer durch die Wüste geht er schließlich verloren und tritt eine Reise in das Träumen an, zugleich eine Reise durch die Zeit. Durch den Verlust der vorherigen Realität erkennt er jedoch schließlich eine sehr wichtige Lebensweisheit: "Nur der Phönix steigt auf und fällt nicht. Und alles verändert sich. Und nichts geht wirklich verloren."
"Der Sturm" bildet das letzte Kapitel der Serie und widmet sich dem Werk William Shakespeares. Vor langer Zeit bat er um die anhaltende Muse und erhielt sie schließlich von einem der Ewigen. Als Gegenleistung sollte er zwei Werke allein für seinen Gönner, den Meister der Geschichten, verfassen, der selbst keine Geschichte hat. In dieser Geschichte der "Sandman"-Reihe erfüllt Shakespeare seine Aufgabe und verabschiedet sich mit dem Stück "Der Sturm" von seinen besonderen Fähigkeiten. Im Verlauf der Zeit begann Shakespeare immer mehr an sich zu zweifeln, zu zweifeln, was in all den Stücken von ihm selbst sei und was lediglich durch einen Pakt gegeben. Doch "Der Sturm" bietet ihm die Möglichkeit, dieses Kapitel abzuschließen, denn darum entsagt Prospero in seinem Stück der Zauberkraft: "Hin sind meine Zauberein: Was an Kraft mir bleibt, ist mein, und das ist wenig."
Leser der vorangegangenen Bände haben den Untergang von Morpheus bereits erlebt und sind bei der Lektüre nun Zeuge einer Beerdigung, die zwar noch einige Fäden löst, jedoch keine wahre Bewegung mehr in der Geschichte erkennen lässt. Am interessantesten sind wohl die Reden bereits vertrauter Gesichter und die der Geschwister, zumal nicht alle von ihnen im Verlauf der Serie eine wirkliche eigene Stimme bekamen. Endlich kommt man beispielsweise Despair ein wenig näher, doch abgesehen von diesen kleinen Bonbons wird hier eigentlich eine Geschichte erzählt, die bereits einen sehr guten Abschluss gefunden hatte. Viel passiert nicht auf diesen Seiten, was bei der hohen Erwartungshaltung an einen Band dieser Reihe letztlich zur Enttäuschung führt.
Vielleicht hatte Gaiman Schwierigkeiten, loszulassen und sich zu verabschieden. Vielleicht ist darum auch "Exile" die nächste Geschichte, in der es um eben solche Dinge geht und die daher den Abschluss eines Epos aus einer völlig losgelösten Sicht- und Zeichenweise ermöglicht.
Einen kleinen Rückblick in die Geschichte von Morpheus und den Ewigen bietet schließlich die letzte Geschichte um Shakespeare. Ein letztes Mal im "Sandman" läuft Gaiman hier zur Hochform auf, wenn es darum geht, Fantasie Grenzen sprengen zu lassen und nicht zu erklären, zu analysieren und zu deuten, sondern einfach erleben zu lassen. Der dargestellte Shakespeare ist ein Mensch, dem es selbst nicht am Drama fehlt, der sich unzulänglich fühlt und sich seiner Dinge zugleich so sicher und so unsicher ist. Hier zeigt sich die Kritik der Außenwelt an seinen Werken, spricht Shakespeare mit einem Freund über Marlowe, der angeblich wahrer Autor von Shakespeares Werken sein soll, wenn man die existenten Theorien verfolgt, hier trifft man sogar auf den Revolutionär Guy Fawkes und spinnt bei einem freundschaftlichen Spaziergang den Satz, der seinen Weg in einem ganz anderen Comic und dessen späterer Verfilmung fand: "Remember, remember, the fifth of November - gunpowder, treason and plot" - ja, auch "V wie Vendetta" hat somit Raum in dieser Erzählung, auch wenn dieser Raum sich nicht auf V, sondern auf Guy Fawkes bezieht.
Insgesamt, so kann man wohl erkennen, ist dieser abschließende Band des Epos einer, der in die Reihe passt, in dem man Gaimans Fantasie ebenso erkennt wie die Geschichte, die nun nach 75 Einzelheften abgeschlossen wurde.
Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack, der nicht allein von dem Bedauern herrührt, dass es nun vorbei ist und neue Geschichten ihren Raum finden müssen.
So sind die Zeichnungen nicht so schön wie bei den Vorgängerbänden, alles erscheint blasser, grober und mit vielen Schatten angereichert. Die Beerdigung Morpheus ist eine Geschichte, die nicht viel Neues hervorzubringen weiß, die anderen beiden Geschichten lehnen am "großen Ganzen" an, mehr aber auch nicht. Sie stehen letztlich gut für sich, weisen - wie stets bei "Sandman" zu finden - viele gute Gedanken und philosophische Ansätze sowie kleine Seitenhiebe auf Reales auf, dennoch sind sie nicht der Teil und Stil des "Sandman", den man über all die Bände so liebgewonnen hat.
Immerhin jedoch fällt der Abschied dadurch nicht allzu schwer.
Neueinsteiger sollten natürlich nicht hinten anfangen, dennoch eignet sich dieser Band durchaus, wenn man die erste Geschichte ausklammert. Deren Inhalt nämlich bleibt nebulös, wenn man nicht um die Zusammenhänge weiß.
Für alle anderen Leser ist "Das Erwachen" ein guter Abschluss mit einigen Highlights, der dennoch ein wenig enttäuscht aufgrund seines Inhalts und des verwendeten Zeichenstils.