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Einhundert Minuten Laufzeit lang nimmt sich die Dokumentation von Robert Greenwald Zeit, den Einzelhandelsgiganten, dessen Gründerfamilie mit einem geschätzten Vermögen von achtzehn Milliarden Dollar zu den reichsten Menschen der Erde zählt, unter die Lupe zu nehmen.
Der Film spricht seine Kritik dabei in den verschiedensten Bereichen an.
Zu Anfang heißt es, Wal Mart zerstöre den Einzelhandel und erschaffe Geisterstädte, und in der Tat scheint genau dies der Fall zu sein, wie dem Zuschauer anhand von Aufnahmen aus verschiedenen Städten und Interviews mit Kleinstädtern in den USA deutlich gemacht wird.
Doch nicht nur das Schließen der meist über Generationen hinweg etablierten Läden hat dem Film zufolge die Wal-Mart-Kette zu verantworten, sondern sogar fehlende Bildungsmaßnahmen und mangelnde öffentliche Dienstleistungen. So siedele sich ein Wal Mart in der Regel kurz vor den Stadtgrenzen an und zahle somit keine Steuern, würde aber durch jährlich weltweit eintausend Milliarden Dollar Subventionen gefördert und schließe sich zudem an die örtlichen Wasser- beziehungsweise Abwasseranlagen an, die somit von der jeweiligen Gemeinde mitfinanziert werden müssten.
Auch vor Kultur macht die Ladenkette scheinbar weder Halt, noch zeigt sie dort irgendwelche Skrupel, so werden als Baugelände beispielsweise beschauliche Grünflächen und Standorte historischer Bauten, ja sogar Friedhöfe genannt.
Doch auch innerhalb von Wal Mart scheint vieles menschenverachtend zu sein. Rühmt sich das Unternehmen selbst damit, Menschen aller Altersklassen und Volkszugehörigkeiten zu beschäftigen und somit finanziell wie sozial abzusichern, zeigt Greenwalds Dokumentation ein ganz anderes Bild.
Es ist ein Bild der Ausbeutung, nicht genehmigter Pausen und unbezahlter Überstunden. Fast die Hälfte aller Angestellten kann die Kosten für die vom Unternehmen angebotenen Krankenversicherungen nicht aufbringen und wird stattdessen von der Chefetage an die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen verwiesen.
Von sozialer Gerechtigkeit kann kaum die Rede sein, wenn man von Niedriglöhnen und der Beschäftigung illegaler Einwanderer erfährt, die heimlich über Nacht in den Einkaufszentren eingesperrt wurden, um dort bis zum Eintreffen des Filialleiters am Morgen zu putzen.
Thematisiert werden in diesem Film jedoch auch Fabrikarbeiter aus China. Dort werden etwa achtzig Prozent der Wal-Mart-Produkte gefertigt, und wer sich diesen Film angesehen hat, der hat spätestens dann auch die Erklärung dafür, warum Wal-Mart-Produkte so günstig sind, denn Wal Mart fördert die so genannten Sweat Shops: Fabriken in Entwicklungsländern, in denen Menschen gegen einen Minilohn und unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen meist sieben Tage in der Woche arbeiten.
Und auch hier schließt der Film noch nicht, denn er berichtet ebenso über die hohe Kriminalitätsrate auf Wal-Mart-Parkplätzen und demgegenüber bewusst nicht gegebene Sicherheitsmaßnahmen für die Verbraucher, zeigt die drastischen Maßnahmen Wal Marts gegen die Einrichtung von Gewerkschaften auf, berichtet über Verstöße gegen Umweltauflagen und gegen das Unternehmen geführte Kampagnen und Prozesse.
Nach Ansicht der DVD bleiben zumindest bei Zuschauern aus Deutschland, denn dort ist der Film ab April 2006 käuflich zu erwerben, gemischte Gefühle.
Die dargestellten Abläufe, untermauert mit Interviews, Nachrichtenausschnitten und immer wieder in Kontrast gesetzt zu Aussagen des Wal-Mart-Managers Scott Lee, erschrecken durchaus und dies in zunehmendem Maße, doch einige Aspekte wollen dann doch nicht einleuchten.
Zum einen werden zwar Namen genannt und die Interviewten stellen sich vor, doch wären Einblendungen von Namen und Positionen der einzelnen Leute hilfreich gewesen. So werden viele Vergehen eingeblendet, Schriftstücke wie auch Menschen gezeigt, die zum Thema etwas zu sagen haben, doch Wahrheitsgehalt und Qualifikationen, Hintergründe oder Motivationen der einzelnen Menschen sind für den Zuschauer nicht immer klar ersichtlich.
Dann stellt man sich auch zusehends die Frage: Können Menschen so naiv sein? Es liegt doch ohnehin auf der Hand, dass die Niedrigpreise des Unternehmens sich auch für dieses irgendwie rechnen müssen, erst recht, wenn die Gründerfamilie zu den reichsten Menschen der Erde gehört. Dass hier Ausbeutung am Werk ist, die Arbeitsbedingungen schlecht sind und das Unternehmen versucht, alle möglichen Lücken des Systems - beispielsweise im Hinblick auf Steuern - für sich zu nutzen, muss einem doch auch klar sein, ohne einen solchen Film zu sehen?
Hier liegt zugleich ein weiterer Kritikpunkt am Film: Sicherlich sind all diese Machenschaften verachtenswert, aber sie sind doch auch nur deshalb möglich, weil die entsprechenden Regierungen sie ermöglichen und an den wichtigen Stellen des Systems geschlampt haben, weil Menschen für ein solches Unternehmen auch noch arbeiten und es zugleich fördern, indem sie dort kaufen. Alle Schuld liegt beim Wal Mart? Nein, das ist zwar die Vision, die der Film gern verkaufen möchte, dennoch eine viel zu simple Lösung für das Desaster rund um den Wal Mart. Tatsächlich sieht und hört man Menschen in diesem Film, die ihr Land, Amerika, für all ihre Freiheit feiern und sogar Rentner, die behaupten, noch immer für dieses Land wegen seiner Schönheit und seiner unendlichen Möglichkeiten kämpfen zu wollen und sogar einen, der verkündet, der Wal Mart werde zu einer Revolution führen ... und wohlgemerkt: Wal Mart gleich böse, Amerika gleich gut. Was macht einem da mehr Angst, die Machenschaften des Konzerns oder die schier endlose Naivität der Menschen?
Vielleicht ist dies jedoch auch wieder nur zu eng gesehen, vielleicht typisch deutsch? Mag sein, denn das Unverständnis rührt nicht zuletzt daher, dass der Wal Mart in Deutschland mit diesen Machenschaften bei weitem nicht so weit gekommen ist wie in den Vereinigten Staaten. Hier gibt es Gewerkschaften, hier verantwortet sich der Wal Mart bereits wegen einer Klage aufgrund seiner Richtlinien vor Gericht, die nämlich in sieben Punkten gegen das Grundgesetz verstoßen soll, hier darf der Wal Mart solche riesigen Flächen wie in den USA gar nicht bebauen, schreibt stetig rote Zahlen, die ersten Filialen werden geschlossen und andere Discounter wie Aldi oder Lidl haben bislang nicht das Feld räumen müssen.
Das macht Deutschland zwar lange nicht zu einem besseren Land, denn auch hier läuft bekanntlich etliches schief. Es bessert auch nicht die Arbeitsbedingungen der Chinesen, die für den Wal Mart produzieren, und auch nicht die der Amerikaner, die sich von diesem Unternehmen ausbeuten lassen oder ihre Läden schließen müssen.
Es zeigt aber vielleicht, dass man auch und gerade bei brisanten Dokumentationen - auch wenn diese sehr interessant und in jedem Fall informativ sind - Augen und Ohren offen halten und nicht alles bedingungslos glauben sollte, was einem präsentiert wird.
Und es zeigt, dass wohl tatsächlich nicht alles für das amerikanische Publikum auch uneingeschränkt für das Publikum eines anderen Landes zu übertragen ist.
Bild- und Tonqualität sowie Extras können nicht beurteilt werden, da es sich um eine Presse-DVD handelt, die von der Kaufversion abweichen kann.