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"Tichu" ist ein extrem populäres Kartenspiel aus China, in dem jeweils zwei Spieler im Team gegeneinander antreten, um als Erste ihre Karten loszuwerden und dabei möglichst viele der speziellen Punktekarten abzustauben. Einige Sonderkarten und jede Menge harter Entscheidungen machen ihnen dabei das Leben schwer.
Laut Verpackungstext spielen es 642 Millionen Chinesen täglich, hier in Deutschland ist es mittlerweile auch schon zur Sucht geworden mit allerlei Tichu-Meisterschaften, -Vereinen und allem, was sonst noch dazu gehört. Wenn das mal nicht Bridge und Skat den Rang abläuft
"Tichu ist nicht zu erklären", dieser Satz ziert die zweite Seite der Spielregel. Die probiert es natürlich trotzdem, drum soll auch hier ein entsprechender Versuch gestartet werden.
Ein "Tichu"-Spiel besteht aus 56 Karten. Wie in Europa gewohnt, gibt es vier Farben mit je dreizehn Werten, von Zwei bis As. Zusätzlich gibt es noch die vier Sonderkarten Mah Jong, Hund, Phönix und Drache.
Die beiden Teams sitzen sich gegenüber und ziehen der Reihe nach jeweils eine Karte vom Stapel - es wird nicht ausgeteilt! -, bis alle Karten weg sind. Jeder Spieler gibt jetzt jedem anderen Spieler verdeckt eine Karte. Die Gegner werden dabei natürlich möglichst schlechte Karten bekommen, der Partner eine, die dem Team vielleicht weiter helfen könnte. Dann beginnt derjenige mit der Mah Jong-Karte das Spiel und legt eine beliebige Kombination auf den Tisch. Dies kann beispielsweise ein Paar aus zwei gleichwertigen Karten sein, eine mindestens fünf Karten lange Reihe, ein Full House oder auch nur eine einzige Karte. Der nächste Spieler kann, wenn er will, die gelegte Kombination mit einer höherwertigen der gleichen Art überspielen. Auf zwei Achten kann er beispielsweise zwei Neunen legen. Das geht reihum so lange weiter, bis jeder Spieler einmal gepasst hat. Derjenige, der die letzte Kombination gespielt hat, bekommt den Stich und spielt neu aus. Spiele wie "
Der Große Dalmuti" kopieren dieses Prinzip.
Dann wären da noch die vier Sonderkarten. Der Phönix fungiert als Joker, kann also jeden beliebigen Wert ersetzen, bringt allerdings 25 Minuspunkte. Der Hund ist völlig wertlos und kann nur ausgespielt werden, wenn man selbst dran ist. Dann gibt er das Ausspielrecht automatisch an den Partner ab. Bei der Mah Jong-Karte darf sich der Ausspielende einen Wert wünschen. Der nächste Spieler, der eine höhere Kombination spielen kann, die diesen Wert enthält, ist gezwungen, das zu tun. Der Drache schließlich ist die höchste Karte im Spiel, bringt 25 Punkte, kann jedoch nur einzeln ausgespielt werden. Außerdem verschenkt er den Stich, den er gemacht hat, an die gegnerische Mannschaft.
Dann wären da noch die Bomben. Eine Bombe hat man, wenn man alle vier Karten eines Werts besitzt oder einen "Straight Flush", also mindestens fünf aufeinander folgende Karten einer Farbe. Das ist recht selten, dafür darf man Bomben immer spielen und sie schlagen jede andere Kombination, außer höhere Bomben.
Dann wäre da noch das Tichu. Vor dem Ausspielen der ersten Karte kann man ein kleines Tichu ansagen. Wenn man das tut, muss man seine Karten als Erster loswerden, bekommt dann aber dafür 100 Extrapunkte - schafft man es nicht, gibt es 100 Miese. Wo das kleine Tichu ist, kann das große nicht weit sein. Das ist 200 Punkte wert und kann nur vor dem Aufnehmen der neunten Karte angemeldet werden - man zieht sich ja die Karten und bekommt sie nicht ausgeteilt.
Irgendwann sind mehrere Spieler ihre Karten losgeworden. Ist ein Team gemeinsam zuerst fertig geworden, bekommt es sofort 200 Pluspunkte, ansonsten muss der zuletzt übrig Gebliebene seine Handkarten an die Gegenpartei und seine gesammelten Stiche an den geben, der zuerst fertig geworden ist. Danach wird ausgezählt. Jede Fünf ist fünf Punkte wert, jede Zehn und jeder König zehn Punkte, der Phönix bringt 25 Miese, der Drache 25 Pluspunkte. Das Ergebnis wird für jedes Team aufaddiert, die nächste Runde beginnt. Wer zuerst 1000 Punkte erreicht, hat gewonnen.
War doch gar nicht so schlimm, oder?
Man kann bei den Regeln von "Tichu" ganz genau erkennen, dass es ein Kartenspiel ist, welches sich über viele Hunderte Jahre mit verschiedensten Stammtischregeln weiter entwickelt hat, von denen einige im Laufe der Zeit in das offizielle Spiel integriert wurden. Die Bomben und die Sonderkarten riechen zumindest ganz verdächtig danach
Da diesen Sonderregeln jedenfalls keine erkennbare Logik anhaftet, kann man beim ersten Durchlesen der Regeln ziemlich leicht gleich völlig erschlagen oder zumindest mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf dastehen.
Die Anleitung selbst ist ja ganz nett gestaltet. Mit einem großen Augenzwinkern erklärt sie die einzelnen Komponenten des Spiels und bringt dabei einige sehr amüsante Anekdoten, die sogar ein bisschen ins Alberne abrutschen. Fast ohne Bilder und mit sehr knappen Beispielen werden die einzelnen Regeln so sehr komprimiert dargestellt. Dabei geht die Anleitung zwar recht übersichtlich vor, aber zwei- oder dreimal muss man sie schon durchgehen, um auch jeden Aspekt begriffen zu haben. Vor allem äußerst merkwürdige Sonderregeln wie der Drache, der den Stich, den er gerade gemacht hat, einfach an die Gegenmannschaft verschenkt, können Anfänger zu unverständiger Verzweiflung treiben. Das ist wohl das Hauptproblem - die Regeln sind alles andere als schwer, nur so furchtbar merkwürdig - wenn auch nicht ohne System. Nach ein paar Runden hat der findige Spieler gemerkt, dass es durchaus Sinn macht, wann er die Sonderkarten wie einsetzt, um ein Maximum an Taktik aus seinem Zufallsblatt zu ziehen. Ähnlich wie beim Skat kann man in "Tichu" also jede Menge über das bloße Verstehen der Regeln hinaus lernen. Dann entpuppt sich das scheinbar willkürliche Kartenspiel auch als recht clever.
Die 56 Karten von "Tichu" sind schön groß und stabil, die Symbole und Zahlen einwandfrei lesbar. Die Zeichnungen für die Bild- und Sonderkarten sind in passend asiatischem Stil gehalten, nur fragt man sich, ob das jetzt ein original chinesisches Blatt sein soll oder ob hier lediglich europäisches Klischeedenken seinen Ausdruck findet. Andererseits, wenn man ein Spiel namens "Tichu" kauft, muss ja nicht unbedingt das normale französische Blatt mit einer Spielregel enthalten sein, welches es, abgesehen von den vier Sonderkarten, auch getan hätte.
Die Spielregel ist kurz, in schwarzweiß und ohne Bilder, bietet dafür aber netterweise einige Varianten für drei, sechs oder eine für fünf bis zwölf Spieler, welche dem "Großen Dalmuti" dann eins zu eins entspricht. Ab sieben Leuten braucht man dafür zwei Kartensätze, bei einem Preis von fünf bis sieben Euro ist das aber noch erträglich.
Fazit:
"Tichu" ist ein sehr klassisches volkstümliches Kartenspiel: Am Anfang ist man schwer verwirrt von den merkwürdigen Regeln, aber nach ein paar Runden beherrscht man diese dann im Schlaf, ohne die dem Spiel eigene Logik noch hinterfragen zu wollen. Als Kartenspiel ist es natürlich ideal für die schnelle Runde zwischendurch, spielt man bis zu 1000 Punkten, sitzt man ungefähr eine Stunde daran.
Besonders gut geeignet ist "Tichu" für Leute, die den "Großen Dalmuti" für zu simpel und/oder zu unfair halten, denn taktisch haben diese 56 Karten schon was auf dem Kasten. In dieser Hinsicht unterliegt das Spiel zwar immer noch Skat oder Bridge, steht aber haushoch über den Familienklassikern Rommé oder Canasta, da man wesentlich gewitzter vorgehen muss. Ein flottes Kartenspiel mit ein bisschen Anspruch also, das sich ideal für Familien eignet, die keine Scheu haben, die kleine Anfangshürde der Regeln zu überwinden. Will man mit dem "Tichu"-Blatt jedoch die zum "Großen Dalmuti" identische Variante spielen, sollte man doch lieber zu selbigem greifen, weil dort die Verarbeitung schöner und das Spiel entschlackter ist.