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"Der Taxifahrer am Flughafen neppt mich mit dem doppelten Fahrpreis, dem Gringo-Preis. Ich lasse ihm den Nepp. Ich bin froh, dass er erzählt: vom jahrelangen Terror der Bombenanschläge von Sendero Luminoso, den Morden, Stromausfällen, den Ausgehsperren, Notständen - jetzt endlich sei Ruhe eingekehrt, es gehe aufwärts mit dem Land." Doch dies hat Peter Faecke, Autor des Buches "Lima die Schöne - Lima die Schreckliche" schon so oft gehört und stets waren es wissentlicher Selbstbetrug und gezielte Überlebenshilfe. In dieser Nacht möchte er es aber gerne glauben, denn die Wiederbegegnung mit dieser Stadt, mit diesem Land der Tropen, in dem er mehrere Jahre lang lebte, hat ihn dafür empfänglich gemacht. "Ich will meine alte, immer äußerst schwierig gewesene Liebe von einst wieder finden, die ich zwischendurch an den botanischen Garten Bundesrepublik verraten hatte."
Faecke schreibt in seinem Buch über seine Erlebnisse in Perus Hauptstadt Lima. Der 1940 in Schlesien geborene Autor ist Dozent sowie Redakteur und war Leiter eines Entwicklungsprojektes in Peru in den Achtziger Jahren. Faecke berichtet über die fehlende Durchsetzung von notwendigen Reformen, Diktatur, Korruption, Guerilla-Truppen wie der "Leuchtende Pfad", Verelendung in Slums, Kinderarbeit und die Probleme einer Klassengesellschaft, in der immer noch zwischen Indios, Mestizen und Weißen unterschieden wird.
Dabei wird aber immer auch die Liebe des Autors deutlich, die er für dieses Land und seine Menschen verspürt - die Peruaner, die trotz vieler Schwierigkeiten gerne feiern, fröhlich und gastfreundlich sind. Wie der Titel "Lima die Schöne - Lima die Schreckliche" schon zeigt, macht Faecke so immer wieder die Ambivalenz der südamerikanischen Stadt deutlich. Es sind Momentaufnahmen, Arbeitsberichte, Wiederbegegnungen und ein Fundstück: der Marsch von 1.400 Bergarbeitern und ihren Familien auf die Hauptstadt.
Faecke traut sich, in seinem Reportagen-Buch auch heikle Themen anzusprechen und Kritik zu äußern. Beispielsweise bezeichnet er die Mitarbeiter deutscher Entwicklungshilfeorganisationen als "eine Mafia für sich". Der langjährige Einsatz in verschiedenen Ländern Afrikas, Asiens oder Lateinamerika habe die mögliche anfängliche Sensibilität längst in Zynismus gewandelt - und in die Angst, eines Tages könnte diese Art von Geschäft beendet sein. Nach Meinung Faeckes haben dies die einst idealistischen Gedanken der Helfer verdorben.
Das Buch hat nur 153 Seiten, ist kurzweilig und liest sich schnell. Im Anhang finden sich fünfzehn Farb- und Schwarzweiß-Bilder, die einen guten Eindruck von Lima geben. Unter anderem findet der Leser Fotografien des Palacio de Gobierno (Regierungspalast), der Kathedrale an der Plaza de Armas und einer Amazonas-Indianerin. Für Peru-Interessierte mit Vorkenntnissen bietet das Buch bestimmt eine spannende Lektüre mit vielen Hintergrundinformationen. Es hat allerdings zwei große Nachteile: Zum einen ist nicht immer leicht erkennbar, in welchen Kontext die jeweilige Reportage oder der Arbeitsbericht zu setzen sind. Wann, warum und für wen wurden sie beispielsweise geschrieben? Zum anderen stammen die Berichte überwiegend aus den Achtziger Jahren, sodass der aktuelle Bezug fast gänzlich fehlt. Es stellt sich die Frage, warum diese Reportagen erst im Mai 2005 - also gut zwanzig Jahre später - gebündelt veröffentlicht wurden. Hier wäre eine kurze Erklärung in einem einführenden Teil hilfreich gewesen. Außerdem erhält der Leser fast keine Antwort darauf, wie die Situation im modernen Peru ist.
Der Leser muss großes Interesse für die Geschichte Peru mitbringen. Als Reiselektüre ist "Lima die Schöne - Lima die Schreckliche" daher nur bedingt zu empfehlen.