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Mitten in der Wüste unter einer Palme findet der Händler Ahmed Mudhi die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Also heiratet er die schöne Safia in ihrer Heimatoase und lässt sie schwer bewacht zu seinem Anwesen bringen. Doch dort fesselt Ahmed bald ein Fieber ans Bett, so dass er seine achte Frau nicht zu sich in sein Schlafgemach holen kann. Stattdessen kümmert sich der Eunuch Lagan um all ihre Bedürfnisse. Er ist es auch, dem Safia eine Geschichte erzählt, die von einem Helden und dessen Tiger handelt. Und insgeheim hofft sie, dass durch ihre Geschichte auch aus Lagan ein solcher Held entsteht.
Die Geschichte dreht sich um Vishnu, der zur Zeit dieser Geschichte als Krishna, der Gott der Liebe, bekannt ist. In einem Palmenhain eines unbedeutenden Ortes zeugt er eines Tages eine Tochter, die aufwächst, ohne von ihrer göttlichen Herkunft zu wissen. Als sie jedoch heranreift, fällt sie Ravana, dem Dämonenkönig auf, der sie zu seiner Frau machen will. Heimlich lässt er sie entführen und bestimmt, dass in einem Monat die Hochzeit stattfinden soll. Daraufhin würde Krishna gerne in wilden Schlachten gegen Ravana kämpfen, doch bleibt ihm dies verwehrt. Denn durch die Herrschaft der Briten in Indien ist viel geschehen und durch den Fortschritt ist auch die Macht der Götter geschwunden. Deswegen hat Krishna keine Macht und muss zu anderen Mitteln greifen.
So versteckt Krishna ein silbernes Amulett mit dem Bildnis seiner Tochter in einer Lotusblüte, die in einem Teich wächst. Wer immer sein Leuchten sieht und es findet soll derjenige sein, der Krishnas Tochter befreit. Gegen Mittag kommt ein junger Mann, der den Beruf eines Diebes und Lügners ausübt, zu dem heiligen Hain. Sein Name ist Farhad Kamal und seit er denken kann, hat er sich mehr schlecht als recht durchs Leben geschlagen. Darum ist es auch kein Wunder, dass er, als er das Amulett erblickt, es sofort in seine Hände nimmt und stehlen möchte. Dummerweise erscheint in just diesem Moment auch Krishna und teilt ihm mit, dass er auserwählt sei, eine junge Prinzessin zu befreien. Da man einem Gott keinen Gefallen abschlägt, zumal Krishna ihm sehr deutlich erzählt, was passiert, wenn er sich nicht bereit erklärt, fügt er sich in sein Schicksal.
Nun muss er also in einer Stadt, die inmitten der Wüste Thar liegt, den Blutstein finden, mit dem er den Diener von Ravana bestechen und die Prinzessin befreien kann. Als er sich erkundigt, wie weit die Wüste entfernt ist, ist er nahe daran, aufzugeben. Nie und nimmer wird er die Stadt rechtzeitig bis zum nächsten Vollmond erreichen. Doch Krishna lässt ihn nicht im Stich und schickt ihm ein Reittier, das schneller ist als der Wind. Der weiße Tiger Nitish mit den geheimnisvollen blauen Augen ist sein Begleiter und Gefährte auf der langen Reise. Aber trotz dessen Schnelligkeit stellt sich die Suche nach dem Blutstein als schwieriger als angenommen heraus. Und die Tatsache, dass der Tiger extrem wasserscheu ist, da er fürchtet, zu Stein zu werden, erleichtert die Sache nicht unbedingt.
Wie schon in den Märchen aus 1001 Nacht erzählt in diesem Roman eine hübsche Frau um ihr Leben. Sie weiß, dass sie sterben wird, sobald der Händler sie mit in sein Bett nimmt. Darum erfindet sie einen Helden, der ihren Zuhörer daran erinnert, dass auch in ihm ein Held stecken könnte. Denn auch Farhad ist kein Held. Jedes Mal gibt er sich als ein anderer aus und schlägt sich mit Gaunereien durchs Leben. Erst seine Suche nach dem Blutstein und der Prinzessin macht einen Helden aus ihm, der dieses Abenteuer vielleicht erfolgreich zu Ende bringen könnte. Wie auch Vishnu selbst wandert er von Inkarnation zu Inkarnation, ehe er letztlich zu sich selbst findet. Und als am Ende der Geschichte dann Fantasie und Wirklichkeit verschmelzen, stellt sich heraus, ob die Erzählung noch einen weiteren Helden erschaffen konnte.
Mit diesem Roman taucht der Leser in eine wunderbare, unbekannte Welt ein. Das Indien zu Beginn des 19. Jahrhunderts könnte gar nicht besser beschrieben werden. Gemeinsam mit Farhad und dem Tiger Nitish reist der Leser zu wundersamen Orten voll märchenhaftem Zauber. Farhad selbst ist ein Charakter, der einem schnell ans Herz wächst., denn im Grunde seiner Seele ist er kein böser Mensch. Doch um wirklich ein Held zu werden hat er eine lange Reise nötig. Mit dem weißen Tiger verbindet ihn recht bald eine enge Freundschaft. Ständig führen die beiden humorvolle Streitgespräche und lockern damit die Geschichte auf. Doch es gibt auch genug Personen und Ereignisse, die die Mission der beiden gefährden und so ist es ein spannendes Wettrennen gegen die Zeit, ob sie ihre Aufgabe wirklich bewältigen können.
Selten gibt es ein Buch, dessen Sprache und Geschichte so gut zusammenpassen. Wie auch die Geschichte selbst ist die Sprache blumig und märchenhaft, so dass der Leser rasch in den Bann der Erzählung gezogen wird und nicht mehr davon loskommen möchte. Jedes einzelne Kapitel wird von einem stimmungsvollen Gedicht eingeleitet. Man fühlt sich sehr wohl in dieser Welt voller Götter und Fortschritt, Vergangenheit und Moderne. Die zauberhafte Geschichte versteht es gut, dem Leser die Gedankenwelt der Inder und die Eigenheit ihrer Märchen näher zu bringen.
Dieses Jugendbuch braucht sich vor keiner Konkurrenz zu verstecken. Mich hat es sofort in seinen Bann gezogen und bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Es steckt voller lebhafter Bilder, Humor und spannenden Ereignissen. So muss man sich fühlen, wenn man inmitten eines Basars der Stimme eines Erzählers lauscht. Ich bin einfach hin und weg und empfehle dieses Buch jedem Leser, der in unbekannte Welten eintauchen möchte.