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Theoretisch weiß jeder, dass der Mensch kein perfektes Wesen ist, und Sätze wie "Irren ist menschlich" sind ebenfalls jedem bekannt. Dennoch wollen viele Menschen gern hundertprozentig sein, vielleicht gar hundertzehnprozentig. Dass dies vor allem Probleme mit sich bringt, haben die meisten Menschen wohl schon einmal erlebt. Um die Möglichkeiten, den Hang zum Perfektionismus abzulegen, geht es in diesem 160-seitigen Taschenbuch von Reinhold Ruthe.
Ruthe zeigt in diesem Buch zunächst auf, dass Perfektionismus viele Gesichter hat und sich auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche erstrecken kann.
Im Anschluss daran widmet er sich der Antwort auf die Frage, wie Perfektionismus entstehen kann.
Oftmals ist Perfektionismus etwas Anerzogenes, weshalb dem Thema Erziehung im Zusammenhang mit dem Perfektionismus ein eigenes Kapitel gewidmet wurde.
Vierzehn Kennzeichen eines Perfektionisten helfen dem Leser dann zu entdecken, inwieweit er selbst vielleicht Betroffener ist, falls er sich in dieser Hinsicht noch nicht schlüssig sein sollte.
Doch auch auch eines der modernen Schlagworte setzt Ruthe in Zusammenhang zum Thema: Der Co-Abhängigkeit kommt ein eigenes Kapitel zu Gute.
Dem Schwarzweiß-Denken, hier als "Alles oder Nichts" bezeichnet, widmet sich der nächste Teil des Buches, in dem verschiedene Typen dieses Denkmusters vorgestellt werden.
Am Ende des Buches stehen schließlich die Hinweise, wie Perfektionismus überwunden werden kann.
Tatsächlich ist es so wie vorbeschrieben: Hinweise dazu, wie man der Perfektionismusfalle entkommt, wie schon der Untertitel des Buches verspricht, stehen am Ende des Buches. Ganze dreißig Seiten sind demnach allein der Lösung gewidmet, hundertdreißig hingegen in erster Linie der Problemerfassung.
Grundlegend sind die Erkenntnisse, die der Autor in diesem Werk darlegt, korrekt und zahlreiche Tabellen stehen dem Leser zur Seite, wenn es darum geht, den eigenen Perfektionismus zu erkennen. Bei der Fülle an Informationen und all den Ecken, in die Ruthe das Thema ausbreitet, dürfte es allerdings nur wenige Leser geben, die sich selbst nicht in der Falle des Perfektionismus sehen - auch wenn sie dies bislang nicht einmal ansatzweise wussten.
Um auf diese Menge an Hintergrundinformationen und mögliche perfektionistische Ansätze zu kommen, lässt Ruthe wenig aus. Vom Putzwahn über das Burn-Out-Syndrom bis hin zur Magersucht ist alles dabei, und das ist auch eine der zwei Säulen, die das Buch zu einem kaum brauchbaren machen. Recht hat nicht, wer mehr Argumente gebündelt vorbringt, sondern wohl eher der, der Zusammenhänge aufzeigt, erläutert und zu guter Letzt belegt. Dies ist ein Aspekt, der in diesem Buch kaum zu finden ist, und so verlieren sich manche Passagen in wohl unzureichend recherchierten Aussagen und Behauptungen.
Die andere Säule, die das Buch zu einem nicht sonderlich wertvollen Ratgeber macht, ist die Tatsache, dass der Problemlösung schließlich nur dreißig zusammenhängende Seiten gewidmet werden. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Autor es sich ein wenig leicht macht, denn laut Ruthe sollte man sich vor allem an einige Bibelstellen erinnern, um dem inneren Zwang zu entkommen. Gnade, Barmherzigkeit und die Erinnerung daran, dass Gott den Menschen nicht als perfektes Wesen schuf und schon Paulus, der Eiferer, Jesus verriet, sollen dem Leser Mut machen, den eigenen Perfektionismus zu überwinden - zu blöd für alle Leser, die dieser Form der Religiösität nicht zugewandt sind.
Im Kern zeigt dieses Werk durchaus Potenzial und enthält einige wichtige Aussagen zum Erkennen des Perfektionismus sowie zu möglichen Ursachen und Veränderungsmöglichkeiten. Das extrem hohe Gewicht auf die Ursachenforschung, bei der viele Dinge kurz angerissen in einen Topf geworfen werden, und die ständig wiederkehrende Erinnerung an den christlichen Glauben machen dieses Buch jedoch zu einem wenig brauchbaren Ratgeber zum Thema.