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"Wer viel denkt, hat eine große Zukunft, und wer wenig denkt, hat eine kleine." Diese Aussage stellt die Grundlage für die Ausführungen des Leuchtturms in der Nähe des Dorfes dar, in dem Flavius lebt. Der ist ein Junge unbestimmten Alters, der seit dem Tod der Eltern und des Großvaters alleine in der Familienhütte lebt und vom Fischfang lebt. Der Großvater hatte ihm einst erzählt, der Leuchtturm könne sprechen, und Flavius hat nun herausgefunden, dass das wirklich stimmt - wenn man Vertrauen hat. Und Flavius, völlig unbedarft und ohne jeden Plan vom Leben, begibt sich bereitwillig in die Schülerrolle, denn der Leuchtturm ist sehr weise: Er bringt dem Jungen bei, anderen nicht seinen Willen aufzudrängen, daran zu glauben, was er von seinen Eltern mit auf den Weg bekommen hat, und sich viele Gedanken zu machen. Er solle seine Zukunft planen, und mit der Zeit wächst in Flavius die Idee heran, dass seine Zukunft vielleicht in der Ferne liegen könnte.
Erst mal jedoch versucht Flavius übereifrig, seinen Freund aus dem Dorf davon zu überzeugen, dass der Leuchtturm sprechen kann, indem er ihn einmal dorthin mitnimmt. Das Experiment scheitert, der Freund geht ihm in der Folgezeit aus dem Weg, und Flavius schiebt die Schuld auf den Leuchtturm. Als er dann aber das Mädchen mit den wunderschönen Augen kennen lernt, drängen sich ihm neue Fragen auf, die ihm nur sein geduldiger steinerner Lehrmeister beantworten kann ...
Der Autor Karl-Michael Schmidt will seine Zielgruppe, vermutlich Jugendliche auf der Schwelle zur Pubertät, zum Nachdenken anregen, über sich, über Pläne und Zukunft, über ihren Platz in der Welt. Hierzu ersinnt er ein Prinzip, wie es schon vielfach angewendet wurde: Das von Lehrmeister und Schüler. Auf diese Weise wird eigentlich der Leuchtturm zum Protagonist, weil der Junge letztlich vor allem dazu da ist, die richtigen Fragen zu stellen, gleich einem Dr. Watson bei Sherlock Holmes oder einer Sophie für Robert Langdon. Nein, beider Wichtigkeit soll nicht heruntergespielt werden, aber definitiv stellen sie vertretend für den Leser die Fragen und die großen Meister antworten.
Der Leuchtturm hingegen vermittelt Weisheiten und versucht sich zugleich in sokratischer Mäeutik, zumindest was das Prinzip des Lernens durch Selbsterkenntnis und Einsicht des Schülers anbelangt: Wissen wird nicht aufgezwungen, vielmehr wird Flavius mit Aussagen konfrontiert, über die er durch Nachdenken selber zur richtigen Antwort kommt. Diese findet Flavius oft in den Passagen zwischen den Gesprächen mit dem Leuchtturm, in seinem Alltag, in Ereignissen, Beobachtungen und Gesprächen. Dabei entwickelt er sich, baut seine Gedankengänge auf den zuvor beim Leuchtturm gemachten Erkenntnissen auf und kann schließlich für sich erkennen, sozusagen "ausgebildet" zu sein, indem er eine große Entscheidung für sein Leben trifft.
Ein sprechender Leuchtturm als edukativer Großmeister ... Dieses Bisschen Phantastik ist eigentlich nur notwendig in Bezug auf die dramatischen Szenen mit dem Freund, ansonsten hätte man statt des Leuchtturms genauso gut dessen Wärter große Weisheiten schwingen lassen können. Denen wird zwar bisweilen nachgesagt, weltfremde Menschen zu sein, aber immerhin sind sie Menschen. Aber so lässt sich der junge Flavius von aufeinander getürmten Steinen, deren Symbolik sich in Vergleichen mit dem Leben und dem Herz des Menschen erschöpft, diverse Klugheiten in den Kopf pflanzen - die Passagen in Flavius? Alltag sollen zwar einen Selbsterkenntnisprozess darstellen, aber letztlich schluckt der Junge nur, was ihm der Leuchtturm eingibt. Dabei sind die Lehren ja durchaus richtig: Gehe nicht gedankenlos in die Zukunft, sondern plane, und dränge niemandem deine Ansichten auf. Aber zum einen ist das alles sehr oberflächlich gehalten, und zum anderen fällt es schwer zu glauben, dass sich Jugendliche von heute auch nur im Ansatz mit Flavius identifizieren können, der in ungewöhnlicher Umgebung aufwächst und ein Leben führt, das mit dem der Jugendlichen von heute kaum etwas gemein hat. So sind das Erzählte und die Botschaft gut gemeint, aber nicht gut transportiert.
Man muss kein Germanist sein, sondern nur viel lesen, um den Schreibstil als dürftig zu erkennen. Spannung baut sich selten und dann nur ansatzweise auf, besonders in der Freund-im-Sturm-Szene, die Dialoge sind oft hölzern und unglaubwürdig, und warum der Autor keiner der handelnden Figuren außer Flavius selbst einen Namen gegeben hat, bleibt schleierhaft. Denn gerade das macht die Erzählung lieblos und abstrakt, die Figuren um Flavius herum werden austauschbar und funktional. Darüber hinaus gibt es keinerlei philosophische Ansätze und keine wirklich bedeutsamen pädagogischen Erkenntnisse, so dass dieses Buch am besten jene Leute lesen, die wissen wollen, wie man so etwas nicht macht.