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 Mythgarthr-Saga, Band 1: Der Ritter

Mythgarthr-Saga, Band 1

Serie: Mythgarthr-Saga, Band 1
Autoren: Gene Wolfe
Übersetzer: Jürgen Langowski
Verlag: Klett-Cotta, Stuttgart

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Obwohl er weder einer der einflussreichsten noch einer der bekanntesten Autoren der Fantastik ist, zählt der amerikanische Schriftsteller Gene Wolfe dennoch zu den besten. Ausgezeichnet mit allen großen Science-Fiction- und Fantasy-Preisen - unter anderem drei Mal mit dem "World Fantasy Award" -, gelten Gene Wolfes Romane als Höhepunkt der modernen Fantasy. Mit seiner zweibändigen Saga "The Wizard Knight" legt der Autor nun ein neues fantastisches Werk vor, dessen erster Band in deutscher Übersetzung im Februar 2006 unter dem Titel "Der Ritter" erschien.

"Lieber Ben,

wahrscheinlich fragst du dich schon lange nicht mehr, was aus mir geworden ist. Es sind ja auch viele Jahre vergangen. Hier finde ich nun die Zeit zum Schreiben, und es sieht sogar so aus, als könnte dich das, was ich schreibe, dort erreichen, wo du bist, also versuche ich es einfach mal."


Mit diesen Worten beginnt der Brief, den Able (diesen Namen trägt der Junge, seit es ihn in eine ihm fremde Welt verschlagen hat) an seinen älteren Bruder verfasst. Und Able fängt an zu erzählen - alles, was ihm seit jenem Tag passiert ist, als er bei einem neugierigen Spaziergang im Wald in die Welt Mythgarthr geraten ist, schreibt er auf, teils geordnet, teils verwirrend. Von einem Feenwesen erzählt er, einer Alfar, die ihn nicht nur in einen stattlichen Mann verwandelt hat, sondern der er auch in unsterblicher Liebe verfallen ist. Von Bold Berthold, der in ihm fälschlicherweise einen Bruder erkennt, den er vor einigen Jahren verloren hat, und der Able in seine Obhut nimmt. Von Eterne, einem magischen Schwert, das ihm die Alfar übergeben möchte, und von Swordbreaker, einem Streitkolben, den er bis zu diesem Zeitpunkt tragen wird und den er todbringend schwingt. Von Gylf, einem riesigen Wolfshund, der sich in ein furchterregendes Ungeheuer verwandeln kann und der allzu oft verheerend unter Ables Feinden wütet. Von den Welten, die über und unter Mythgarthr liegen. Von Freunden und Feinden, Unterstützung und Misstrauen. Und natürlich von seinem großen Ziel, einmal ein tapferer, mutiger und vor allem ehrlicher Ritter zu sein. Sir Able of the High Heart. Und um dieses Ziel zu erreichen, begibt sich Able auf eine beschwerliche, mehrere Jahre andauernde Reise, auf welcher er so manches Hindernis überwinden muss …

"Gene Wolfe ist der klügste, subtilste und gefährlichste Schriftsteller unserer Zeit." - Zumindest, wenn es nach Neil Gaiman geht, dessen Zitat es ist, das neben lobenden Worten von Tad Williams auf der Umschlagrückseite des Hardcover-Romans abgedruckt wurde. Dabei ist es vor allem das Wort "subtil", welches den Stil des amerikanischen Autors besonders treffend umschreibt, denn während der Lektüre von "Der Ritter" hat der Leser stets das Gefühl, als geschehe kaum etwas - um dann rückblickend erstaunt festzustellen, dass sogar ungeheuer viel passiert ist. Zum einen wird dieser Umstand dadurch bedingt, dass "Der Ritter" mit seinen rund 560 Seiten in viele kurze Kapitel unterteilt ist, die durchschnittlich gerade einmal acht Seiten umfassen und sich nur stückweise zu einem großen Ganzen zusammensetzen, die den Lesefluss dadurch aber auch sehr angenehm gestalten. Zum anderen ist es der Erzählstil, der das Werk so subtil wirken lässt. Gene Wolfe bedient sich eines Erzählers, der die Ereignisse seinem Bruder in Amerika in einem einzigen, langen Brief schildern möchte. Obwohl der Erzähler nach seiner Ankunft in Mythgarthr äußerlich zum Mann gemacht wird, bleibt er in seinem Inneren dennoch weiterhin der Junge, der er in Amerika war. So ergibt sich eine Erzählweise, die sowohl von heroischen, tapferen Worten als auch von kindlichen oder besser jugendlichen Gefühlen geleitet wird - zwei Elemente, die, so möchte man meinen, kaum zusammenpassen. Gene Wolfe verschmelzt beide Elemente jedoch so geschickt miteinander, dass die innere Zerrissenheit der Hauptfigur, seine Unsicherheit auf der einen, seine Tapferkeit, seine Ehrlichkeit und sein Mut auf der anderen Seite, hervorragend und vor allem glaubwürdig zum Ausdruck kommt.
Was der Geschichte allerdings fehlt, ist ein roter Faden. So zeigt sich die erste Hälfte des Romans in einer scheinbar wirren Aneinanderreihung von Geschehnissen, von denen der Leser lange nicht weiß, wohin sie einmal führen sollen oder in welchem Zusammenhang sie zueinander stehen. Erst mit Beginn der zweiten Hälfte des Buches wird ein Ziel deutlich - oder zumindest der Weg dorthin. Dies ist auch der Teil der Erzählung, der sich sowohl am spannendsten als auch am entspanntesten liest, zu dem man jedoch nur gelangt, wenn man sich auf die ersten 250 Seiten des Buches eingelassen hat. Und diese bedürfen eines gewissen Grades an Aufmerksamkeit, denn aufgrund der Sprache und des Erzählstils kann man dem ersten Band der "Mythgarthr"-Saga ein hohes Maß an Anspruch nicht abstreiten. Erst auf den letzten Seiten verliert die Handlung dann erneut ein wenig ihren roten Faden aus den Augen und endet schließlich so, dass man sich als Leser zunächst nicht vorstellen kann, wo der Fortsetzungsband anschließen könnte.
Dass "Der Ritter" in seiner Übersetzung sprachlich ein so anspruchsvolles, aber auch angenehmes Abenteuer von höchster Qualität ist, ist dem Übersetzer Jürgen Langowski zu verdanken, der die Geschichte nicht nur in adäquates, sondern auch sehr flüssiges und vor allem niveauvolles Deutsch übertragen hat.

Fazit:
Wer würde schon auf die Idee kommen, eine komplette Saga in Briefform zu erzählen? Nun, Gene Wolfe ist dieser Einfall gekommen, und das Ergebnis lässt sich sehen. Subtil erzählt er eine epische Geschichte, deren einziger Kritikpunkt ist, dass während der ersten Hälfte für den Leser kein roter Faden zu erkennen ist und sich die ersten Ereignisse somit scheinbar zusammenhanglos aneinanderreihen. Eine schöne, niveauvolle Sprache und eine später sehr spannende Handlung gleichen dies jedoch zum Teil wieder aus und entführen den Leser in ein anspruchsvolles Abenteuer.

Hinweis:
Der zweite und abschließende Band der "Mythgarthr"-Saga wird im Juli 2006 unter dem deutschen Titel "Der Zauberer" bei Klett-Cotta erscheinen.

Valentino Dunkenberger



Hardcover | Erschienen: 01. Februar 2006 | ISBN: 9783608937756 | Originaltitel: The Knight – Book One of The Wizard Knight | Preis: 24,60 Euro | 564 Seiten | Sprache: Deutsch

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