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Annas Leben währt erst sechzig Tage, und doch ist sie schon fast zwanzig. In diesen sechzig Tagen hat sie es geschafft, sich auf den geistigen Stand einer Siebenjährigen zu bringen, doch noch liegt ein weiter Weg vor ihr.
Dies ist die Information, die der Leser auf den ersten paar Seiten den Romans
Kaltes Wasser erhält. Nur so viel weiß auch Anna selbst.
Das, was sie als ihr Heim betrachtet, ist eine Klinik, ihre engste Vertraute ist eine Ärztin, die ihr helfen soll, das Gedächtnis wieder zu erlangen. Nach und nach fasst Anna auch Vertrauen zu ihrer Mutter. Jeder erzählt ihr, dass sie ihr Gedächtnis nach einem schweren Autounfall, den sie gemeinsam mit ihrer Mutter erlitt, verlor. Doch nach der Berührung mit kaltem Wasser ist Anna unsicher, ob diese Version stimmt. Kaltes Wasser weckt in ihr das Gefühl des Hasses und der Todesangst, verbunden mit dem beklemmenden Gefühl des Ertrinkens. Wenn sie einen Autounfall hatte, woher kommen dann diese Erinnerungen an ein Bootsunglück? Und wem gilt der Hass, den sie spürt?
Anna will, je weiter sie ihre Fähigkeiten wiedergewinnt, die Wahrheit erfahren. In ihrem eigentlichen Zuhause, zurück bei ihren Eltern, kommt ihr alles unbekannt vor, nichts weckt Assoziationen. Nur ein junger Mann, der sie findet, kommt ihr bekannt vor, doch dies auf eine alles andere als positive Art. Wer ist er?
Als ein junger Fernsehreporter auf ihre Geschichte aufmerksam wird und über Anna berichten will, sieht sie ihre Chance. Gegen den Willen der Eltern, die sie um jeden Preis von der Vergangenheit abschotten wollen, stimmt sie zu, eine Reportage zu drehen, in der Hoffnung, dass vielleicht jemand aus ihrem früheren Leben sie im Fernsehen wieder erkennt und Kontakt zu ihr aufnimmt. Doch nach einer schockierenden Entdeckung im Haus der Eltern nimmt sie Reißaus und flieht, ohne zu wissen wohin.
Gemeinsam mit Kevin, dem Reporter, findet sie immer mehr Bruchstücke ihrer Vergangenheit und nach und nach findet sie heraus, wer sie, wer Anna wirklich ist.
Das Schicksal der Totalamnesie erscheint unmöglich, und doch kann es passieren, dass ein Mensch durch einen Unfall, verbunden mit einer seelischen Ausnahmesituation, sein Gedächtnis nicht nur teilweise verliert, sondern alles vergisst, was er jemals gelernt hat. Dies passiert mit Anna, sie muss ihre Sprache wieder erlangen und ihre Fähigkeiten im täglichen Leben, angefangen damit, dass sie lernen muss, dass man nicht kostenlos Bus fahren darf. Am Anfang erinnert sie den Leser wirklich an ein kleines Kind, doch rasend schnell wird sie erwachsen und lernt immer mehr. Für den Leser ist es faszinierend zu beobachten, wie die Welt sich vor Anna auftut und sie immer weiter in ihre eigene Vergangenheit vordringt, die anscheinend jeder vor ihr verstecken will. Den Grund dafür will sie erfahren, auch wenn die Suche nach ihrer Geschichte immer wieder droht, sie zu überfordern.
Passend zur Reifung Annas entwickelt sich auch der Sprachstil, der anfänglich noch sehr einfach gehalten ist, da ihre Gedanken sich ja auf dem Stand einer Siebenjährigen befinden, bis sie am Ende der Geschichte zu der jungen Frau reift, die sie in Wirklichkeit ist.
Joachim Friedrich verbindet hier gekonnt viele Elemente zu einem überzeugenden Roman. Er verflicht eine zarte Liebesgeschichte mit einem handfesten Krimi, bei dem der Leser mit raten kann, wer gut, wer böse ist und vor allem: Was mit Anna geschah. Die Suche nach der Vergangenheit führt quer durch Deutschland und sogar nach Teneriffa, was dem ganzen noch mehr Abwechslung verleiht.
Für jugendliche Leser, die sich gerne von Krimis zum mit ermitteln verleiten lassen, ist dies eine spannende Lektüre.